Günter Zint in der Kaserne: In der Wurstfabrik
Der linke Fotograf und Pazifist Günter Zint eröffnet eine Ausstellung - im Panzermuseum Munster, einer ehemaligen Kaserne.
Als der Fotograf Günter Zint am Dienstag im niedersächsischen Städtchen Munster aus dem Auto steigt, hört er als Erstes das Geschützfeuer einer Übung. Der Flachbau, vor dem Zint geparkt hat, ist mit einem Stacheldrahtzaun geschützt. Rechts vom Eingang stehen ein Panzer und ein Wachhäuschen in Schwarz-Rot-Gold. Links vom Eingang steht ein Geschütz aus dem Ersten Weltkrieg. Zint ist im Begriff, das Deutsche Panzermuseum Munster zu betreten.
Es handelt sich um eine ehemalige Kaserne, in der auf über 10.000 Quadratmetern Panzer zu sehen sind, chronologisch geordnet von 1916 bis heute, unkommentiert. Ein Museum gewordenes Panzer-Quartett. Alles Originale. Modelle gibts im Museumsshop zu kaufen.
Günter Zint, 69, ist nicht nur Fotograf, sondern auch Pazifist. Er ist an diesem Tag in das Panzermuseum gekommen, um die Sonderausstellung "Wilde Zeiten - Fotografien von Günter Zint" zu eröffnen. Diese war unter anderem bereits im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen.
Zint hat in seinem Leben viele Demonstrationen der politischen Linken fotografiert, zum Beispiel in Berlin 1968, wo er von Polizisten zusammengeschlagen wurde. Er hat die taz mitgegründet und unter anderem für den Spiegel gearbeitet. Seit den 1960er Jahren ist er der große Chronist St. Paulis, an dem ihn vor allem die Subkultur interessiert. Das Panzermuseum und Günter Zint sind zwei Welten. Zur Ausstellungseröffnung prallen sie aufeinander.
Zint hat ein T-Shirt angezogen, das zwei Panzer zeigt, die aufeinander zielen. Darunter steht: "Bis einer heult". Im Publikum sitzen unter anderem der General der Heeresaufklärungstruppe und der Kommandant des Ausbildungszentrums Panzertruppen. Außerdem ist ein Polizeihauptkommissar gekommen und der Forstdirektor. Munsters Bürgermeister begrüßt sie alle namentlich.
Anstatt durch die Ausstellung zu führen, hält Zint einen Vortrag über sein Werk und sein Leben mit Hilfe eines Videobeamers. Zint sagt: "Ich komme mir vor wie ein Vegetarier, der in die Wurstfabrik eingeladen worden ist." Darüber können die Anwesenden nicht lachen. Angegriffen fühlen sie sich aber auch nicht. Schließlich wusste man vorher, wer Zint ist.
Außerdem weiß man, dass sich die Zeiten ändern, auch für das Panzermuseum. Das Haus wird von der Stadt und der Bundeswehr getragen, mit 85.000 Besuchern pro Jahr ist es ein Wirtschaftsfaktor für die strukturschwache Region. Der wissenschaftlicher Leiter, der 33-jährige Historiker und Zivilist Ralf Raths, will das Haus entstauben und öffnen. Er hat Zint eingeladen.
Zint hat angenommen, weil er sich gedacht hat: "Bibeln an Gläubige zu verkaufen ist langweilig." Schade nur, dass General Klaus Feldmann nicht gekommen ist. Der hätte eine Laudation auf Zint halten sollen und blieb weg, weil er einen harten Tag hinter sich hatte. An jenem Dienstag legten nämlich die letzten Wehrdienstleistenden in Munster mit viel Presserummel das letzte feierliche Gelöbnis dieser Art ab. Für einen General ein guter Grund für einen Rückzug.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht