Grundsicherung für Kinder: Neues Bündnis will 500 Euro pro Kind
Sozialverbände und Wissenschaftler fordern eine Grundsicherung bis zum 27. Lebensjahr. Die Finanzierung soll durch Abschaffung des Kindergelds und des Ehegattensplittings erfolgen.
Angesichts steigender Kinderarmut hat ein Bündnis aus Sozialverbänden 500 Euro monatlich als Grundsicherung für jedes Kind in Deutschland gefordert. Im Gegenzug sollen alle bisherigen Familienleistungen abgeschafft werden. Ziel sei es, gegen die schockierenden Folgen von Armut zu kämpfen, sagte Christiane Reckmann vom Bündnis Kindergrundsicherung am Dienstag in Berlin.
Von Armut seien 2,4 Millionen Kinder in Deutschland betroffen, sagte Reckmann. "Das bisherige System hat versagt, es ist bürokratisch, intransparent und ungerecht." Dem neu gegründeten Bündnis gehören unter anderen der Deutsche Kinderschutzbund, die Erziehungsgewerkschaft GEW, die Arbeiterwohlfahrt und mehrere Sozialwissenschaftler an.
Das Bündnis geht in seiner Berechnung der 500 Euro, die jedes Kind benötige, vom Grundbedarf von 322 Euro aus, plus 180 Euro für Bildung, Betreuung und Erziehung der Kinder. Das Geld solle besteuert werden und bis zum Alter von 27 Jahren gezahlt werden, sagte Heinz Hilgers vom Deutschen Kinderschutzbund. Die Kosten von 100 Milliarden Euro, die dadurch entstünden, sollen durch eine Abschaffung von Kindergeld und -Freibetrag, Unterhaltsvorschuss und Sozialgeld ausgeglichen werden - das brächte 44,5 Milliarden Euro. Die Besteuerung der 500 Euro bringe weitere 30 Milliarden Euro. 18 Milliarden könnten durch die Streichung des Ehegattensplittings entstehen.
Den Rest müsse der Staat ohne Umverteilung aufwenden, so Hilgers. "Dieser Systemwechsel weg von vielen Einzelmaßnahmen braucht politischen Mut. Wir werden sehr geduldig und beharrlich sein." Er verwies auch auf die Einsparungen durch einen Bürokratieabbau, wenn nur eine Leistung für Kinder gezahlt werde.
Die Familienministerium reagierte zurückhaltend auf den Vorschlag. "Im Prinzip kann man darüber nachdenken, wie Leistungen für Kinder zusammengefasst werden können", teilte ein Ministeriumssprecher mit. Das sei ein Thema für die nächste Legislaturperiode. "Die bisher vorgelegten Modelle allerdings sind nicht fundiert genug und werden deshalb von uns nicht unterstützt", erklärte der Sprecher.
Auch die Vizefraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Christel Humme, hält das 500-Euro-Modell für wenig realistisch. "Wir möchten eine bedarfsorientierte Sicherung für Kinder, deshalb wollen wir die Hartz-IV-Regelsätze anpassen." Bei der jetzigen Finanzlage wolle man "lieber eine qualitativ hochwertige Infrastruktur für die Kinderbetreuung fördern."
Die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Ekin Deligöz, hingegen unterstützt das Modell - die Grünen haben bereits ganz ähnliche Ideen vorgelegt: "Ich bin überzeugt, dass das jetzige Baukastensystem nicht mehr zieht." Es sei ungerecht, und das Geld komme an der falschen Stelle an. "Familien mit höheren Einkommen werden durch den Kinderfreibetrag mehr unterstützt", sagte Deligöz. Gerade bei Familien mit Kindern und Alleinerziehen bestünde in Deutschland jedoch ein höheres Armutsrisiko - hier müsse man präventiv handeln. Das Modell der Grünen enthält eine Grundsicherung für alle Kinder in Höhe von 330 Euro. "Für die Eltern braucht man ein unkompliziertes, einfaches System ohne viel Bürokratie."
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