Grundschulstudie: Streit um die richtige Klasse
Die Studie "Element" vergleicht die Leistungen von Sechstklässlern an Grundschule und Gymnasium. Ihr Ergebnis interpretieren Autor und Senator aber verschieden. Auch Elternausschuss ist gespalten.
Die Eltern von Lasse, Sarah, Linus und Fee dürfen weiter rätseln: Ist es okay, ihr Kind nach der vierten Klasse auf der Grundschule zu lassen oder sollte es doch besser aufs Gymnasium? Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) verteidigt die sechsjährige Grundschule und bescheinigt ihr, Schüler nicht schlechter zu fördern als die Gymnasien. Seine Lesart der am Montag veröffentlichen Erhebung zum Lese- und Mathematikverständnis ("Element") steht aber im deutlichen Gegensatz zu den Schlussfolgerungen des Autors.
Der HU-Wissenschaftler Rainer Lehmann war 2003 vom Senat beauftragt worden, die Lernzuwächse der Schüler in den Klassen fünf und sechs zu untersuchen. 93 Prozent der Schüler dieser Klassenstufen gehen in Berlin auf die Grundschule - ein bundesdeutscher Sonderweg. Lehmann verglich die Entwicklung der Grundschüler mit denen der Fünft- und Sechstklässler an Gymnasien und kam zu dem Ergebnis: Gerade starke Schüler erreichen am Gymnasium mehr, ihr Leistungsvorsprung wächst. Deshalb, so die öffentliche Empfehlung Lehmanns, sei es sinnvoll für gute Schüler, möglichst früh den Weg gen Abitur einzuschlagen.
Eine kühne Behauptung, denn in der Studie schreibt Lehmann, dass er nicht belegen könne, dass die Schulart für den Vorsprung der Gymnasiasten verantwortlich sei. Ein Blick in die Studie zeigt, dass die Grundschüler zwar schlechter abschneiden. Das ist logisch, denn die Spitzenschüler sind ja bereits am Gymnasium. Doch der Lernzuwachs in Mathe und beim Lesen ist an beiden Schularten etwa gleich.
Auch im Landeselternausschuss ist die Diskussion darüber entbrannt, welche Schulart die bessere ist. Der Vorsitzende André Schindler sagt, er wolle die sechsjährige Grundschule zwar gegenwärtig nicht generell infrage stellen: "Wir plädieren aber dafür, die grundständigen Gymnasien auszubauen." Das heißt, mehr Schüler als bisher sollen nach der vierten Klasse auf die Gymnasien wechseln können.
Er halte das für falsch, entgegnet indessen Remzi Uyguner, ebenfalls im Landeselternausschuss: "Ich plädiere dafür, die Grundschulen zu stärken, statt den Fokus auf die bessere Förderung der eh schon starken Schüler zu richten." Im Landeselternausschuss, der vor allem von Freunden und Förderern des Gymnasiums geprägt ist, gehört Uyguner zur Minderheit.
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