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Archiv-Artikel

Grundsatzdebatten sind wichtig

betr.: „Zellhaufen ist Würde los“, „Embryonen waren 1949 kein Thema“, Kommentar von Christian Rath, taz vom 30. 10. 03, „Ein sinnvolles Tabu gebrochen“, taz vom 31. 10. 03

Anders als Herr Rath bin ich nicht der Ansicht, dass die Würde des Menschen von seinem Zeugungsort oder seinem Alter abhängig ist. Tatsächlich haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes die Würde des Menschen zum absoluten Wert erhoben, um den Menschen zu schützen; nicht nur vor dem Staat, sondern auch vor wirtschaftlicher und medizinischer Ausbeutung (siehe Genforschung der Pharmakonzerne). Dass die Würde des Menschen schon mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle beginnt, wie ein Urteil des BVerfG feststellte, führt nicht zu absurden Situationen, sondern bewahrt den Embryo vor eugenischer Selektion oder Verarbeitung zu Forschungszwecken; auch der behinderte Embryo hat ein zweckfreies Lebensrecht. […]

HEINRICH G. SALOMON, Halsbach

Frau Zypries’ Vorstoß bringt Bewegung in ein Thema, das seit Jahren tausende von Menschen praktisch und existenziell betrifft. Denn die Abwehr von kontroversen Forschungsinteressen wird in Deutschland auf dem Rücken unfruchtbarer Paare ausgetragen.

Die meisten natürlichen Schwangerschaften gehen in den ersten Tagen unbemerkt ab, weil der Embryo sich nicht einnistet. Fruchtbare Paare stört das nicht. Sie probieren es immer wieder, und irgendwann klappt es. Eine künstliche Befruchtung ist so aufwändig, dass man mehrere natürliche Versuche in einen künstlichen packt. In ganz Europa wählen Ärzte nach fünf Tagen im Reagenzglas einen Embryo aus und pflanzen den ein. Wohlgemerkt nicht nach eugenischen Kriterien, sondern schlicht den, der am besten aussieht und von daher am wahrscheinlichsten zu einer Schwangerschaft führt. Sie machen das, was der Körper der Frau im Verlauf mehrerer Zyklen sowieso täte.

In Deutschland ist das verboten. Es dürfen keine überzähligen Embryonen entstehen, denn dann müsste man ja regeln, was mit ihnen geschieht. Daher werden hier nach einem Tag bis zu drei Embryonen eingepflanzt. Im Ergebnis sind die Erfolgsraten niedriger, die Kosten höher. Zu oft entstehen Mehrlinge, die zu früh geboren werden. Grundsatzdebatten sind wichtig. Sie sollten aber nicht dazu führen, dass Menschen, die in einer schwierigen Situation ethisch handeln, diffamiert und benachteiligt werden.

ANJA WEISS, München

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