piwik no script img

Grünes BildungsprogrammAus Fehlern lernen

Ex-Schulsenatorin Christa Goetsch übt Selbstkritik: Verordnung der Primarschule von oben war ein Fehler. Bildungspolitik soll aber zentrales Thema bleiben.

Fassen wieder Zuversicht: Christa Goetsch (l.) und Anja Hajduk auf der GAL-Mitgliederversammlung. Bild: dpa

Rund zwei Wochen nach dem plötzlichen Ende ihrer Amtszeit hat Ex-Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) gemeinsam mit einigen Mitstreitern ein Papier zur Zukunft grüner Schulpolitik in Hamburg geschrieben. Darin übt Goetsch Selbstkritik an der Art, wie die Primarschule eingeführt werden sollte, ermutigt ihre Partei aber, Bildungspolitik auch künftig aktiv zu gestalten. "Wir sind die Bildungspartei Hamburgs", befindet Goetsch.

Das haben in den Monaten seit dem verlorenen Volksentscheid nicht alle Grünen so gesehen. Mit der offiziellen GAL-Ansage, Schulpolitik sei ein Verliererthema und man setze besser auf Hochschulpolitik, wurde in den Herbstferien eine erneute Spitzenkandidatur Goetschs in Frage gestellt. Das ist seit der Nominierung Anja Hajduks geklärt. Doch es stellt sich weiter die Frage, ob die Grünen sich als Bildungspartei profilieren oder dazu schweigen.

Das sollten sie nicht, denn die Grünen hätten eine Gesamtkonzeption entwickelt, die die Ziele Gerechtigkeit und Integration "durchbuchstabiert", heißt es in dem Papier, dass auch GAL-Schulpolitiker wie Michael Gwodzs, Edgar Mebus und Armin Oertel sowie zehn weitere GALier unterzeichnet haben. Die umfassende bildungspolitische Gesamtkonzeption sei "Markenkern" der GAL. Ihr werde in Umfragen eine hohe Kompetenz zugeschrieben.

Doch seit dem verlorenem Volksentscheid sei die GAL auf der Suche nach ihrer "bildungspolitischen Melodie". Der Entscheid sei als finale Absage an die Werte grüner Bildungspolitik umgedeutet worden. Der viel postulierte "Schulfrieden" entpuppe sich nach dem Volksentscheid als "Denkverbot". Das längere gemeinsame Lernen als "wichtige Zielperspektive" werde von einem "schwarz-roten Kartell des bildungspolitischen Stillstands tabuisiert".

Goetsch & Co. wollen dieses Ziel nicht aufgeben, nur weil es nicht die Mehrheitsposition spiegelt. Es solle aber auch nicht mehr "so dominant sein" wie in den letzten zwei Jahren. Da, wo Stadtteilschulen und Grundschulen verbunden seien, könne dies "von unten" wachsen und dabei "von oben" gefördert werden. Falsch sei, "auf eine flächendeckende Einführung der Primarschule mit einigen Jahren Verzögerung zu hoffen". Verkehrt sei auch, gemeinsames Lernen "von oben zu verordnen". Dies könne "in einem so konfliktbeladenen Feld mit so handfesten persönlichen Interessen und Ängsten wie der Bildungspolitik nicht funktionieren".

Damit bieten die Grünen sich nicht mehr als Zielscheibe für Attacken von Schulreformgegner und CDU-Kandidat Walter Scheuerl an, der in der Strukturdebatte das zentrale Schul-Wahlkampfthema sieht.

Doch die Selbstkritik der grünen Schulpolitiker geht noch weiter. Es sei ein Fehler gewesen, 2008 die Primarschule an den Anfang des Reformprozesses zu setzen. Man habe gleichzeitig die Struktur ändern und eine neue Lernkultur einführen wollen. Dieser umfassende Ansatz sei zur größten strategischen Schwäche geworden. "Die Schulreform war anfällig für den Vorwurf, Chaos zu verursachen".

Aus diesem Fehler will man lernen und nun die bereits begonnene Etablierung der neuen Lernkultur ins Zentrum stellen. Hamburg stehe die tiefgreifendste Modernisierung des Schulwesen seit Jahrzehnten bevor. "Wenn die GAL die Kraft hat, diesen Prozess politisch abzusichern", so das Papier, "wird die Realität an Hamburgs Schulen in wenigen Jahren spürbar und sichtbar besser sein".

Besonderes Gewicht soll auf der Stadtteilschule liegen. Man könne die Verteilung der Kinder nach Klasse vier auf Gewinner und Verliererschulen nicht abschaffen, schreiben die Autoren. "Aber wir können die Verliererschulen abschaffen".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • WS
    Walter Schmidt

    Vonwegen aus vergangenen Fehlern gelernt!

    Verliererschulen abschaffen, das heißt für die GAL letztlich nichts anderes als Einführung der Einheitsschule und Abschaffung des Gymnasiums.

    Ergo:

    Nichts als alter Wein in neuen Schläuchen!

  • I
    Imme

    Es ist gut, aber selten, dass Politikerinnen oder Politiker gemachte Fehler zugeben. Trotzdem will nicht rechte Freude rüberkommen: Dass die GAL sich nun der Schulpolitik verschrieben hat, verändert ihr Wählerpublikum. Die GAL wurde immer für ihre Umweltpolitik geschätzt und ihren Kampf gegen die Atomkraft und früher auch für ihre Ablehnung von Kriegseinsätzen. Nun schreibt sie sich Schulpolitik auf die Fahne und ist - zumindest für mich - nicht mehr wählbar. ÖKOpolitik betreiben ja zum Glück mittlerweile auch andere Parteien.

  • HB
    Hamburger Bürger

    Hallo GAL-Mitglieder und Grün-Wähler!

     

    Warum sorgt Ihr erst für die Verarmung der Gesellschaft und tut hinterher so "sozial" in dem Ihr euch für selbstgemachten Schwächsten der Gesellschaft engagiert?

     

    Wann lernt Ihr endlich, dass die jungen Menschen in den Schulen ermutigt werden müssen zur Selbsthilfe?

     

    Geld fällt nicht vom Himmel und muss mühsam verdient werden. Kinder müssen das früh lernen. Wer den Eltern verschweigt, dass TVs und Gameboys Kinder verdummen und Bücher statt PC-Spiele gekauft werden sollten, macht sich als Lehrer schuldig an unserer Gesellschaft.

    Kinder dürfen nicht nur als Softies von Softy-Lehrern betreut werden, sondern müssen von aktiven ausbildungswilligen LehrernInnen gefordert werden. So lange jeder Lehramtsstudent auch Schul-Beamter wird, werden sich die schwächsten Persönlichkeiten an staatlichen Schulen bewerben in der Erwartung sich nur noch um die Schwächsten kümmern zu dürfen...

     

    GAL will Migranten helfen? ..und gleichzeitig werden nur noch Matheschulbücher gekauft in denen fast ausschließlich Test-Aufgaben stehen, die diese Migranten oft nicht verstehen und dann versagen?

     

    Geld verdient man nur durch Arbeit in Wirtschaft und Verwaltung. Das müssen die Kinder schon früh lernen!

  • K
    Klamann

    Ich finde diese Stellungnahme ebenfalls erfrischend! Wenn die GAL dem folgt, bleibt sie für mich wählbar. Fehler passieren - aber vor Scheuerl und Co einknicken: unakzeptabel!!

  • A
    Amerlogk

    Ist doch mal erfrischend das Fehler offen zugegeben und analysiert werden.

    Das wünschte man sich doch von der CDU zur Elbphilharmonie mal. ^^

  • S
    Steuerzahler

    20% ist doch ein tolles Ergebnis (zumal in der Umfrage danach gefragt wurde, wer es am besten kann). Und bei der Zustimmung zur Primarschule waren es sogar 40%. Für eine kleine Volkspartei ganz gute Zahlen - und im Verhältnis zur Stimmenzahl die besten Zahlen aller Parteien.

  • K
    Klap

    Wie kommt man bei der GAL auf den "Markenkern" Bildung?

     

    Wie auch die jüngsten Umfragen zeigen hat auch die GAL nur eine einzige zugewiesene Kompetenz: Umwelt.

     

    Kompetenz in Sachen Bildung wurde der GAL (wie auch der CDU) nur zu 20% atttestiert.

    Wenn das der Markenkern sein soll - na dann man zu.