Grüner Parlamentarier über Afghanistan-Einsatz: "Zwickmühle für Deutschland"
Winfried Hermann fürchtet die schleichende Ausweitung des ISAF-Mandats.
taz: Herr Hermann, Sie verlangen, dass die Grünen die schnelle Eingreiftruppe für Afghanistan im Bundestag zur Abstimmung stellen und ablehnen sollen. Was wäre damit gewonnen?
Winfried Hermann: Es wäre gewonnen, dass wir eine öffentliche Debatte über die schleichende Ausweitung des ISAF-Mandats im Bundestag bekommen. Das Parlament hätte dann die Möglichkeit zus sagen: Nein, wir wollen das Mandat nicht weiter ausdehnen.
Ihre Fraktionsführung sagt, die Eingreiftruppe sei vom Mandat gedeckt, da ja auch die norwegische Eingreiftruppe schon unter deutschem Kommando operiert habe.
So kann man formal zwar argumentieren. Aber man muss den Austausch der Norweger gegen die Deutschen jetzt im Zusammenhang mit den Forderungen der US-Amerikaner und der Nato sehen: Die wollen, dass Deutschland sich auch im Süden Afghanistans militärisch engagiert, und das ist vom Mandat nicht gedeckt. Die Eingreiftruppe soll aber diese Überschreitung möglich machen.
Fordern Nato und USA das nicht sowieso?
Die schnelle Eingreiftruppe soll uns als gute, weil weniger riskante Lösung vorkommen. Sie dient aber dazu, eine Zwickmühle für Deutschland zu konstruieren. Erst heißt es, wenn ihr nicht in den Süden wollt, dann stellt wenigstens die schnelle Eingreiftruppe. Und wenn die Deutschen diese Kampftruppe stellen, wird sie auch außerhalb des Nordens gebraucht werden.
Setzen Sie mit Ihrer Forderung an Ihre Fraktionsspitze nicht bloß die Zerreißprobe des Parteitags in Göttingen fort, als die Basis gegen den Afghanistan-Einsatz stimmte?
Ich will nicht die Zerreißprobe fortsetzen. Ich will, dass die Bundestagsfraktion den Geist des Göttinger Beschlusses endlich umsetzt: den Strategiewechsel weg vom Militärischen hin zum Zivilen. Göttingen war kein Unfall, nach dem man weitermacht wie vorher. Die politische Elite und unsere Fraktionsmehrheit verkennen, dass der Großteil der Bevölkerung im Afghanistan-Einsatz nur mehr einen sinlosen, teuren und riskanten Kriegseinsatz sieht, ohne Friedensaussicht.
INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN
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