Kommentar Afghanistan-Einsatz: Die Vorgabe der Freunde

Die Nato-Verbündeten halten Deutschland für "reif" Kampftruppen nach Südafghanistan zu schicken. Reife könnte aber auch heissen, für ein weniger militärisches Mandat zu kämpfen.

Deutschlands Nato-Freunde wollen, dass Deutsche auch im Süden Afghanistans kämpfen. US-Amerikaner, Niederländer und Kanadier finden es unfair, dass sie mehr Risiken in Afghanistan auf sich nehmen müssen als die Deutschen. Ein anschwellender Chor von Außen- und Sicherheitsexperten verlangt, dass Deutschland sich zu seiner Verantwortung bekenne: Wer Isaf sagt, muss auch Südafghanistan sagen. Nur weil die deutsche Öffentlichkeit nicht reif, nicht erwachsen genug dafür sei, dürfe die Bundesregierung nicht scheu herumtaktieren und sich mit tapferen Wiederaufbaubekenntnissen aus der Solidaritätsschlinge ziehen.

Als "Reife" wird hier definiert, was die Verbündeten vorgeben. Der Umstand, dass große Teile der deutschen Bevölkerung sich tatsächlich noch wenig damit auseinandergesetzt haben, was der Wiederaufbau Afghanistans auch an Menschenleben kosten könnte, wird gegen die Politik gewendet: Die Forderung nach klaren Worten und realistischen Einschätzungen verschmilzt so mit der Forderung, im Süden zu kämpfen.

Doch könnte Reife ebenso gut heißen, sich an die vereinbarte Aufteilung von Nord und Süd zu halten und die Aufgabe im Norden so gut wie möglich zu lösen. Reife ist nicht notwendigerweise das, was die anderen im Sinn haben.

Unbedingt ist von der Bundesregierung die Reife zu verlangen, dass sie den Einsatz in Afghanistan in aller Klarheit mit dem Parlament und dem interessierten Teil der Öffentlichkeit diskutiert. Dabei aber kann auch herauskommen, dass Deutschland die Reife haben sollte, innerhalb der Nato einen neuen Kurs für das Afghanistan-Mandat zu erwirken: mehr ziviler Wiederaufbau, weniger Militär. Dazu müsste die Bundesrepublik freilich zuallererst die Verantwortung für längst gemachte Zusagen übernehmen: Wer ein ziviles Afghanistan will, muss sich um die Ausbildung der afghanischen Polizei kümmern - wie versprochen.

Wenn Deutschland so erwachsen ist, dürfte es auch stark genug sein, auf dem Nato-Gipfel im April für eine neue Afghanistan-Strategie zu kämpfen.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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