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Grüner Länderrat segnet Fiskalpakt abSieg für Merkel und Trittin

Die grünen Europaparlamentarier plädieren auf dem kleinen Parteitag dafür, gegen den Fiskalpakt zu stimmen. Am Ende unterliegen sie – knapp.

Am Ende auf Linie: Der grüne Länderrat folgte mehrheitlich der Parteiführung. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Grünen-Fraktionschef benutzte ein Argument, das mancher im Saal einmal zu oft gehört hatte. Wenn die Grünen im Bundesrat gegen den Fiskalpakt stimmten und ihn zu Fall brächten – „was glaubt ihr“, rief Jürgen Trittin, „was dann an den internationalen Finanzmärkten los ist?“ Buhrufe aus dem etwas beengten Saal des Berliner Kongresszentrum bcc antworteten ihm. Manche Grüne sind Euro-Rettungspolitik im Zeichen der Alternativlosigkeit leid.

Doch setzten sich die Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion Renate Künast und Trittin am Ende des Sonntags durch. Der Länderrat segnete ein Ja der Grünen im Bundestag wie im Bundesrat zum Fiskalpakt und damit zum Kurs der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit 40 zu 37 Stimmen ab.

Die Debatte bis dahin war streckenweise erhitzt. Die komplette Bundesspitze stand hinter Künast und Trittin. Diese hatten – gemeinsam mit der SPD – vergangenen Donnerstag der Kanzlerin einige Zugeständnisse abverhandelt. So soll die vom europäischen linken Lager seit vielen Jahren geforderte Finanztransaktionssteuer auf Börsengeschäfte nun eingeführt werden. Die europäischen Mittel für Wachstumsprogramme werden aufgestockt. Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa sollen von der Bundesregierung, nun ja: heftig empfohlen werden.

„Wir haben wesentlich mehr erreicht, als wir uns vorstellen konnten“, behauptete Pateichef Cem Özdemir. Bei Weitem nicht genug, antworteten die deutschen Grünen aus dem Europaparlament, die nach Berlin gekommen waren. Denn eine zentrale Forderung der Grünen, ein Schuldentilgungsfonds zur Entlastung Italiens und Spaniens, war in der Verhandlung mit Merkel auf der Strecke geblieben.

Kritik am Verzicht auf Schuldentilgungsfonds

„Das ist kein Schönheitsfehler“, rief der Chef der deutschen Europa-Grünen Reinhard Bütikofer. Denn die Alternativen zur Vergemeinschaftung der südeuropäischen Schulden seien wesentlich teurer und schädlicher. „Wir werden erleben müssen“, dass die Europäische Zentralbank Geld druckt oder der Euro einfach auseinanderfliegt, beschwor Bütikofer.

In der Analyse stimmten Eurogrüne und Bundesgrüne nun komplett überein. Nur finden Trittin & Co eben, dass für potenziell katastrophale Folgen dann eben Merkel haftbar sei und nicht die Grünen. Damit können sie leben.

Auch hatten die Eurogrünen den Wunsch der Bundespartei nach zusammenhängender Politik womöglich unterschätzt. Die Empfehlung Bütikofers, dass der Länderrat doch den Fiskalpakt ablehnen, die Grünen in Bundestag und Bundesrat ja dann aber tun sollten, was sie wollten, weckte Irritation. „So klein will ich unsere Partei nicht haben“, rief Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke und bekam Applaus. Der Euro-Parlamentarier Sven Giegold versuchte, die Position der Euro-Grünen noch einmal aus taktischem Geplänkel zu retten.

Der Fiskalpakt, erklärte er, verpflichte die EU-Staaten zur Einführung einer Schuldenbremse. Dies sei zwar auch grüne Position in Bund und Ländern – aber nur, wenn ausreichend viel getan werde, den Schwächsten zu helfen. „Dies aber findet jetzt nicht statt, die südeuropäischen Länder werden alleine gelassen“, sagte Giegold.

Sie sei „sehr unsicher“ aus Münster angereist, hatte die Bundestagsabgeordnete Maria Klein-Schmeink vor der Abstimmung zur taz gesagt. Der Beschluss des Länderrats würde ihr Abstimmungsverhalten beeinflussen. Zu einem eindeutigen Ja oder Nein dürfte der kleine Parteitag sie jedoch nicht motiviert haben.

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11 Kommentare

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  • LL
    Lorette Lorenz

    " (...)finden Trittin & Co eben, dass für potenziell katastrophale Folgen dann eben Merkel haftbar sei und nicht die Grünen. Damit können sie leben."

     

    Ja, toll. Es geht Trittin und Co also nicht darum, welche Position inhaltlich richtig ist, sondern sie wollen keine Verantwortung übernehmen!

     

    Dass die Grünen sich seit Jahren so eine aalglatte karrieregeile inhaltlich hohle Parteiführung wählen, sagt alles.

     

    Und von diesen machtgierigen Pappnasen lassen sich die Deligierten dann jedesmal vorschreiben wie sie abzustimmen haben. Diesmal war die Abstimmung knapp, aber wie immer haben die neoliberalen Führungsgrünen wieder alle auf Linie gebracht.

     

    Im Bundesrat müssten die Grünen dringend gegen Fisklapakt und ESM stimmen!

    Aber was will man u.a. von einem schwarzen Kretschmann, der nun S 21 baut, schon erwarten?

     

    Um die mindestens 12 Millionen Armen in Deutschland müssten sich die Grünen längst politisch kümmern, schließlich haben sie deren Zahl durch ihre unsoziale Regierungspolitik von 1998-2005 bis heute wesentlich vergrößert.

     

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/immer-mehr-hartz-iv-empfaenger-brauchen-darlehen-der-bundesagentur-a-840762.html

     

    Aber nach mehrheitlicher politischer Ansicht der Grünen sollen die Armen in Deutschland doch verrecken - ebenso wie in ganz Europa im Zuge von Fiskalpakt und ESM.

     

    Hauptsache Banken, Versicherungen, Hedgefonds und Finanzmärkte sind zufrieden. Die Bevölkerung kann nur immer zahlen (Rettungsfonds ESM/Fiskalpakt). Für ihre Interessen sind dann von ihrem eigenen Geld keine Steuergelder mehr da.

     

    Aber die Grünen haben ja für die Finanzmarkt- Klientel auch den Finanzmarkt dereguliert, als sie an der Bundesregierung waren. Das hat überhaupt erst zur Finanzkrise geführt. Offenbar dienen die Grünen heute immernoch mehrheitlich denselben Geld-Herren.

     

    Wer die Grünen 2013 noch wählt, ist sowieso gehirnamputiert:

    Die sind scheiße, wenn sie regieren (sie haben die Hartz IV-Gesetze und die Agenda 2010 eingeführt , sie haben regelmäßig für unsinnige Kriegseinsätze gestimmt) und die Grünen sind in der Opposition scheiße, da sie unwillens sind, überhaupt oppositionelle Poliitk zu machen.

  • M
    manfred (60)

    Der Bodensatz der ehemals Grünen Partei - die wirklich Grünen machen da spätestens seit Fischer nicht mehr mit - ist in die Jahre gekommen. Früher hat Pappi das Familienvermögen verwaltet und im Notfall mal einen Scheck geschickt, da konnte man chic mal ein bißchen rumprotestlern. Jetzt muß man sich als Erbe selbst ums Vermögen kümmern, da verschiebt sich die Perspektive, und hervor guckt nur ein saturiertes Bürgersöhnchen/-töchterchen, das viel lieber auf der Seite der Krisengewinnler steht. Für die Demokratie zu kämpfen ist eben unbequem.

     

    "Nur finden Trittin & Co eben, dass für potenziell katastrophale Folgen dann eben Merkel haftbar sei und nicht die Grünen. Damit können sie leben." Was ist das denn für ein Scheiß? Hat schon jemals ein deutscher Politiker für seine Taten haften müssen? Dann brauchten wir noch ein paar Knäste mehr in diesem Land.

  • W
    wolfswort

    Zu den "Strukturreformen" gehört offenbar nicht, die entfesselten Finanzmärkte und Bankencasinos zu bändigen..Offenbar gehört auch nicht dazu, Steuerparadiesen auf den Kanalinseln auszutrocknen..Der Fiskalpakt dient nicht der Vereinheitlichung der Einnahmenerhebung und der Vermeidung eines europäischen Steuer- und Sozialdumpings,sondern dient der Umsetzung jener Philosophier der Chicago Boys, über die Stephan Schulmeister in der SZ zuletzt schrieb:

     

    "“Der Kampf gegen die Sozialstaatlichkeit war das deklarierte Ziel der Schule von Chicago. Der Fiskalpakt verankert deren wirtschaftspolitische Grundkonzepte. Damit unterminieren die EU-Eliten unter deutscher Führung das Europäische Sozialmodell. Eine Farce.”

     

    Liebe Grüne: Wie stellt ihr euch das neoliberal durchgestylte Europa eigentlich vor? Ohne störende demokratische Elemente und zügig von oben so durchregiert, dass die 5 % der Wohlhabenden gut auf Kosten der restlichen 95 % leben können, deren Aufbegehren dann als "europafeindlich" denunziert wird?

     

    Euer devot-anbierndender Opportunismus an die Finanzmärkte und euer Engagement für die Marktkonformität der Politik ist enttäuschend und peinlich.

  • H
    Hans

    Ein wirklich fauler Kompromiss, mit dem die Realos den Untergang des sozialen Europas besiegelt haben.

     

    Transaktionssteuer my ass. Die kommt viel zu spät und wäre auch ohne "die harten Verhandlungen der Grünen" gekommen.

     

    Ich hoffe, dass die Parteibasis noch aus Ihren grünen Realoträumen erwacht und diese Flitzpiepen aus ihren Ämtern jagt.

  • E
    e.a.

    Mit Verlaub, das zeigt mal wieder, dass die Grüne nur die Prostituierte der Finanzmärkte ist. Viel Glück...

  • F
    Falsch

    Falsch, es ist ein Sieg für die Bilderberger, die Oligarchen und Banker.

  • T
    Thomas

    Wer hat uns verraten? Die Grünen, mit den Sozialdemokraten.

     

    Statt eines automatischen "Steuern an spielsüchtige Bankenobristen"-Mechanismus (SSBM) könnten wir auch ein "Gesetze an BVerfG"-Mechanismus (GBVerfGM)einführen.

     

    Die Märkte mögen zittern. In Griechenland sterben dafür Menschen, die sich selbst töten.

    Ich weigere mich, das gegeneinander abzuwägen. Die Wahl muss klar sein.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Grün wählen ist Selbstmord

  • JO
    James Overstolz

    Wenn die Grünen den Fiskalpakt (der sowieso scheitern wird) zu Fall brächten - würde ganz Europa ihnen zujubeln.

    Mit dem Fiskalpakt wie mit dem Euro wird ein Mantel über einen äußerst diversen Kontinent geworfen, der alle ökonomischen Besonderheiten erstickt.

    Nicht - Einheit in der Vielfalt - sondern an deutscher Buchhaltung soll die Welt genesen.

    Ich bin nicht gegen Buchhaltung per se, aber mein Verständnis von europäischer Demokratie ist ein ganz anderes. Eigenhaftung für begangene Fehler ist Teil davon - aber keine blinden Reflexe à la Fiskalpakt. Für Betriebe ist dieses Denken angemessen, für Regierungen, die sich um Arme, Kranke, um Kinder und Rentner, Ungebildete und Vernachlässigte kümmern müssen, sind die Einschränkungen dieses Paktes zu eng gefasst.

     

    Die Märkte interessiert der Fiskalpakt übrigens schon lange nicht mehr, die Grünen habens nicht gemerkt.

     

    Sie haben sich immer wieder in wichtigen Fragen erpressen lassen- das fing spätestens mit Afghanistan an. Der Kellner ist willig, der Wähler immer weniger.

  • JK
    Juergen K.

    Gut, dass man den Milliardären nichts abgerungen hat.

  • VB
    Volker Birk

    Sieg für Merkel und Trittin – verloren haben die Völker Europas.

     

    50% Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa. Tendenz steigend. 1,5 Millionen sind in Deutschland auf die Suppenküchen der "Tafeln" angewiesen. Tendenz wohl auch steigend.

     

    Und währenddessen zocken die Zocker weiter, und für jede Milliarde, mit der Banken "gerettet" werden, "verdient" ein Zocker eine Milliarde.

     

    Marktkonforme Demokratie: der Steuerzahler begleicht die Spielschulden.