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Grüne sind gegen Superfusionitis immun

Öko-Partei schickt Bundespolitiker in den Kampf gegen die geplante Fusion von BVG und S-Bahn. Der Verkehrsexperte der Grünen-Bundestagsfraktion Albert Schmidt lehnt Monopol im Nahverkehr ab und fordert Ausschreibungen

Wegen zunehmender Bedenken bei Parteien und Personal ist fraglich, ob BVG und S-Bahn eine Fusion eingehen. Die Grünen ließen gestern ihren Verkehrsexperten im Bundestag, Albert Schmidt, vor einer „Rückkehr zur Staatsbahn“ und fragwürdiger „Superfusionitis“ warnen. Damit erhöht die Ökopartei den Druck auf die Urheber der Pläne, Bahnchef Hartmut Mehdorn und Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).

Den Fusionsbefürwortern prophezeite Schmidt kartellrechtliche Schwierigkeiten. „Wer ein solches Großkombinat anstrebt, geht ein hohes rechtliches Risiko ein“, erklärte Schmidt. Statt in Berlin einen „Monopolisten aufzublasen“, forderte er europaweite Ausschreibungen für den Nahverkehr. Mehr Wettbewerb sei auch im Sinne der Bundesregierung und entspreche geltendem EU-Recht.

Der verkehrspolitische Sprecher der Berliner Grünen, Michael Cramer, warb erneut für Alternativen. Er forderte die Fortsetzung des Sanierungsprojekts „BSU 2000“, das dem aktuellen Vertrag zwischen Land und BVG als Grundlage dient. Eine Holding unter Führung der Bahn AG müsse wegen ihrer „organisierten Verantwortungslosigkeit“ verhindert werden.

Das Konzept „BSU 2000“ nannte Cramer hingegen „konkret und überzeugend“. So etwas müsse die von Wowereit und Mehdorn eingesetzte Arbeitsgruppe erst mal schaffen. Cramer selbst glaubt daran offenbar nicht. Schließlich verlässt er sich auf ein Versprechen des Bürgermeisters. Dieser will einer Fusion nur dann zustimmen, wenn sie für Fahrgäste und BVG von Vorteil ist.

Das von Cramer bevorzugte Projekt „BSU 2000“ sieht eine Senkung der Zuwendungen des Landes von heute 820 Millionen Mark auf 500 Millionen im Jahr 2008 vor. Im selben Zeitraum sollen 6.600 Arbeitsplätze abgebaut werden. Das Konzept hat den Vorteil, dass die anvisierten Zahlen bei den BVG-Beschäftigten nach langen Verhandlungen auf Zustimmung gestoßen sind. Eine Fusion lehnt der Personalrat dagegen ab. Diese Ziele sind laut Cramer erreichbar.

Der Grünen-Verkehrsexperte lobte die „vorzeigbaren Resultate“ bisheriger BVG-Bemühen. Das Personal sei ohne Qualitätseinbußen seit 1992 halbiert worden. „Die Fortsetzung von BSU 2000 könnte auch Rationalisierungsdruck auf die S-Bahn erzeugen.“ Eine Fusion werde diesen Effekt auf Jahre verschieben.

CHRISTIAN TERIETE

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