piwik no script img

Grüne nach der BundestagswahlKretschmann will ein Partei-Präsidium

Die Länder sind in der Partei nicht genug repräsentiert, sagt der grüne Ministerpräsident, Winfried Kretschmann. Er ist mit der Meinung nicht allein.

Hätte gerne mehr Einfluss auf seine Partei: Winfried Kretschmann. Bild: dpa

BERLIN taz | Bei den Grünen ist die Diskussion, welche Konsequenzen die Partei aus dem Debakel bei der Bundestagswahl ziehen soll, voll entbrannt. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann schlägt eine Veränderung der Parteistruktur vor. „Wir müssen ernsthaft erwägen, anstelle des bisherigen Parteirats ein Präsidium zu setzen“, sagte Kretschmann der taz. Er greife damit einen Vorschlag auf, der aus der Partei komme.

Es sei nicht nachvollziehbar, sagte Kretschmann, „dass die Grünen, die regieren, in keinem Bundesgremium eingebunden sind.“ In einem Präsidium könnten die Länder eine größere Rolle spielen und die sechs grünen Landesregierungen ihre Kompetenzen einbringen.

Auch Schleswig-Holsteins stellvertretender Ministerpräsident Robert Habeck unterstützt die Idee eines Präsidiums. „Die Länder und die Leute, die in Ländern in Regierungsverantwortung sind, stehen jetzt in der Pflicht, sich stärker im Bund einzubringen. Eine engere Verknüpfung ist zwingend nötig“, sagte Habeck der taz. Die Grünen waren bei der Bundestagswahl von 10,7 auf 8,4 Prozent abgesackt. Viele machen dafür die stark links ausgerichtete Wahlkampfstrategie verantwortlich, die von Ex-Fraktionschef Jürgen Trittin entworfen worden war.

taz.am wochenende

Wer sind wir - und wenn ja wozu? Bange Fragen bei den Grünen nach der Bundestagswahl. Wie es dort jetzt weitergeht, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 28./29. September 2013 . Außerdem: Überall auf der Welt gehen die Menschen vor Wut auf die Straßen. Nur in Deutschland nicht. Warum? Und: Woodstock-Feeling: Das Womad-Festival im Kaukasus. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Der bayerische Grünen-Landeschef und Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek forderte eine klare Fehleranalyse. So seien die Steuerforderungen zwar weitgehend richtig gewesen – aber überlegt werden müsse, „ob wir den Mittelstand nicht mehr hätten ausnehmen müssen“.

Neben dem Bundesvorstand gibt es bei den Grünen einen 16-köpfigen Parteirat, der aber nur „koordinierende“ Funktion hat und dem mit dem nordrhein-westfälischen Umweltminister Johannes Remmel nur ein Politiker einer Landesregierung angehört. Wie ein Präsidium im Detail aussehen könnte, soll beim grünen Länderrat an diesem Samstag diskutiert werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • AO
    Aleksandr Orlov

    Dass die Grünen doppelt soviele Stimmen wie die stramm neoliberale FDP eingefahren haben, zeigt doch dass die Richtung stimmte.

    Warum man jetzt in die Richtung schwenken will, die die FDP aus dem Bundestag gekickt hat, wird auf immer das Rätsel der grünen Neoliberalen bleiben.

    Das Hauptproblem der Grünen ist einerseits die schwache SPD (die so schwach ist, weil sie unglaubwürdig ist) und andererseits die eigene verloren gegangene Glaubwürdigkeit.

    Vielleicht hülfe ja beiden die Rückbesinnung auf die eigenen Werte.

  • F
    Felix

    Die Grünen werden versuchen die FDP als Funktionspartei für kleine Koalition zu ersetzen. Schwarz-Grün und Rot-Grün werden in Zukunft normal sein. Dazu müssen die Reste der linken Fundis abgeräumt werden.

  • R
    Ruhender

    Nach der nächsten Landtwagswahl in Ba-Wü wird das Kretschmännle wieder ganz, ganz kleine Wecken - äh - Schrippen backen. Unerträglich, was für ein selbstherrliches reaktionäres Großmaul aus dem geworden ist, seit er von den S21-Wogen und Fukushima-Fluten (mit Hilfe zahlreicher linker Leihstimmen) auf den Thron vom Schländle gespült worden ist.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Linkes Programm? Hab ich was verpasst? Oder ist das eine Umschreibung fuer Steuererhoehungen.

     

    Und wozu ein Praesidium? Wenn die Gruenen die Laender ignorieren ist das eh schon indikativ, hierarchisch genug. Es ist eine Postenpartei.

     

    Ich habe ueberhaupt nicht gewaehlt. Das Beste ist die Enquete Wachstum Wohlstand Lebensqualitaet. Spd und Gruene haben dazu seit Jahren think tanks am Laufen, andere gibts gar nicht. Nichts aus der Enquete tauchte bei spd oder Gruenen zur Wahl auf. Komplett ignoriert (und sogar noch der Cdu vorgeworfen), es taucht auch nicht in den Ortsvereinen auf.

     

    Man kann die thinks sogar auf facebook liken, alle haben Dorfgroesse.. In der taz stand, die Enquete sei das Avancierteste u Wichtigste, was der Bundestag je in Angriff genommen haette.

     

    Keiner hat was draus zur Wahl gestellt oder umsetzen wollen, stattdessen droege und mau Wahlkampf (Poschardt fand den ja spannend, wenn man keine Peilung hat dann kann man das finden).

     

    Was will man mit einem Praesidium wenn das an was die kluegsten und auch beaufteagten Leute arbeiten ueberhaupt keine Rolle spielt, gilt auch fuer die spd.

     

    Die Enquete haette ich gewaehlt.

  • T
    treibsand

    Ja, gebt Herrn Kretschmann mehr Einfluss auf die Bundespolitik.

     

    Er soll ruhig auch Rezzo Schlauch, Oswald Metzger, Fritz Kuhn, Boris Palmer und all die anderen smarten Jungs mitbringen. Dann fahren sie gemeinsam die grüne Partei so richtig an die Wand.

     

    Und noch was: Der Bilderberger Trittin und seine Steuervorstellungen waren schon lange nicht mehr links. Ich weiß nicht, warum sich dieses Gerücht so hartnäckig hält.

     

    Journalistenkrankheit?

  • S
    Sören

    Es ist sicher richtig, eine gründliche Fehleranalyse zu betreiben. Genauso ist es ein guter Gedanke, die, die in Regierungsverantwortung sind, stärker einzubinden. Aber ich sehe im Moment das Problem einer Überdramatisierung der Wahlniederlage, und die Gefahr von Schnellschüssen als Konsequenz.

     

    Das Steuerkonzept wurde schlecht vermittelt. Aber man muss auch fragen, ob es nicht naiv war, zu glauben, dass die Medien sich nicht auf Pläne zu Steuererhöhungen stürzen würden. Außerdem hatte die SPD den gleichen Schwerpunkt, eine andere Arbeitsteilung wäre sinnvoller gewesen. Die Grünen hätten sich auf Umwelt, Energie, Integration, die Sozialdemokraten auf Wirtschaft, Finanzen und Soziales konzentrieren können.

     

    Die Frage von „links“ und „rechts“ ist nicht unbedingt die entscheidende Frage, weil es nicht das Hauptkriterium bei der Wahlentscheidung für viele Leute ist. Aber man muss zur Kenntnis nehmen, was die Wählerwanderung aussagt. Die Grünen haben 40.000 Stimmen von der Linken gewonnen, aber 420.00 an die Union verloren.

     

    Das beste aus beiden Welten ist der richtige Weg für die Grünen. Eine ganze Reihe von Profilierungsmöglichkeiten böte sich an. Die Demokratisierung der Gesellschaft wurde nie zu Ende geführt. In der Wirtschaftspolitik könnte man ein Unternehmerbild in den Blick nehmen, bei dem diese sich ihrer ökologischen und sozialen Verantwortung bewusst sind. Die Emanzipation des einzelnen, von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zwängen, ist ein weiterer Punkt, der gut in eine individualisierte Gesellschaft passt.

  • AU
    Andreas Urstadt

    ? Linkes Wahlprogramm? Hab ich was nicht gemerkt oder ist das die Umschreibung fuer Steuererhoehungen?

     

    Die gruenen und gruen-roten think tanks haben sich hauptsaechlich seit Jahren zur Enquete Wachstum Wohlstand Lebensqualitaet beschaeftigt.

     

    Weder bei den Gruenen noch der SPD fand sich da was daraus in den sog Wahlprogrammen. Stattdessen fanden sich allenfalls altbekannte Zufriedenheitsumfragen, dafuer braucht man keine think tanks, diese think tanks sind in keinem Ortsverein etc ueberhaupt inhaltlich Thema - die kann man teils sogar liken - es sind alle davon auf Dorfgroesse, Kleindoerfer.

     

    Von Praesidium reden und von unten kommt schon nichts, die think tanks sind offenbar auch ganz unten.

     

    Die Gruenen und auch die SPD sind im Vergleich zur Enquete lahm, die Enquete stand nicht zur Wahl, die haette ich auch gewaehlt.

     

    Wer auf Nichtwaehler schimpft, verschleiert einen schlechten Job.

  • J
    joe

    An den Grünen ist nix "links" - Partei, Politik, Programm - am Schema links/rechts passt da kein Blatt zwischen.

    Kretschmann merkt jedoch, dass auch "seine" Wähler ihn abgestraft haben. Als neuer Befürworter und Antreiber von Stuttgart 21 gibt es keinen Grund mehr, nicht wieder CDU zu wählen - und viele Gründe, dem grünen Lügenpack den Rücken zu kehren.

    Bei Kretschmann geht es "nicht um Wahrheit oder Lüge, sondern um Mehrheit oder Minderheit".

  • A
    Arne

    Ja, was denn jetzt? Inwieweit sind die Länder denn im Bundestag, der gewählt wurde, miteinbezogen?

    Nicht die Landesregierungen wählen den Bundestag, sondern die Bevölkerung. Wenn Herrn Kretschmann auf einmal seine KB-Vergangenheit einholt und ihm eine Räterepublik lieber wäre, dann soll er es sagen.

    Wenn der Bundeshauptausschuß bzw der Länderrat oder wie die Grünen das auch immer nennen, die Basis nicht ausreichend repräsentiert, dann sollten die den Schlüssel zur Besetzung ändern. Da stimme ich Kretschmann zu. Eine Göring-Eckhardt aus Thüringen, in dem die Grünen keinerlei Rolle je gespielt haben, sollte weniger zu sagen haben als ein Trittin aus Niedersachsen, wo die Grünen immer gute Ergebnisse erbrachten.

    Aber Regierungsbeteiligung kann kein Kriterium sein. Wieso sollten die Berliner Grünen, die sich eben nicht für jede Autobahn von Wowerreit über den Tisch ziehen lassen weniger Gewicht haben als irgendwelche schwäbischen Autobauer, die für Pöstchen alles tun? Wenn, dann kann höchstens das Wahlergebnis ausschlaggebend sein für die Repräsentanz in so einem Gremium.

  • So wie ich das sehe, liegt der Verlust an Waehlerstimmen nicht daran, dass das Wahlprogramm zu links war, sondern daran, dass den Gruenen keiner mehr ein linkes Programm glaubt. Und wie leicht und schnell sich die Gruenen jetzt nach rechts orientieren zeigt, dass die Skepsis angebracht war. In der momentanen sie bietenden Parteienlandschaft muss wer links will "Die Linken" waehlen.

    • K
      Keule
      @Peter Mueller:

      So sieht es aus, das "Verbotspartei" Stigma sagt doch schon alles. Von wegen zu links.