piwik no script img

Grüne beurteilen rot-rote KoalitionGrüne wissen alles besser

Die rot-rote Koalition ist nach Ansicht der Grünen gescheitert: Es fehle an einer Strategie und an eigenen Projekten in den wichtigsten Feldern, meint die Fraktionsvorsitzende in ihrer Halbzeitbilanz.

"Die Koalition hat keine Strategie und kein Konzept", sagt Eichstädt-Bohlig Bild: AP

Zur Halbzeit der Legislaturperiode ist das Urteil der Grünen über die Koalition aus SPD und Linkspartei eindeutig: "Die Koalition hat keine Strategie und kein Konzept, sie reagiert fast nur auf Gelegenheiten", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig am Montag. Vom anfänglichen Mentalitätswechsel der seit dem Jahr 2001 bestehenden Koalition sei heute nichts mehr zu spüren. Zwar habe Rot-Rot in den ersten Jahren den Haushalt saniert und Subventionen gestrichen. Doch jetzt seien keine Projekte mehr zu erkennen.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat sich nach Ansicht von Eichstädt-Bohlig "aus der Landespolitik verabschiedet, er treibt nicht mehr an und plant seinen Absprung auf die Bundesebene". Wowereit schweige zu allen derzeit wichtigen Debatten: Keine klare Positionierung zur Schulreform, zur künftigen Entwicklung der Personalkosten im öffentlichen Dienst, zur Klimapolitik oder zur Diskussion um die sich verschlechternde Sozialstruktur. Die SPD regiere nur noch aus Selbstzweck. Die Linke regiere, um ein paar Nischenprojekte für ihre Klientel voranzubringen, wie etwa bei den staatlich finanzierten gemeinnützigen Jobs für Langzeitarbeitslose. Eichstädt-Bohlig: "Wenn Wowereit den Senat nicht inhaltlich und personell neu aufstellt, werden dies verlorene Jahre für Berlin sein."

Insbesondere Katrin Lompscher (Linkspartei) als Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz finden die Grünen "zu schwach". Es gebe derzeit keine Gesundheitspolitik in der Stadt, auch die Umweltpolitik sei enttäuschend. Viele Vorhaben würden im Nirwana zwischen Lompscher und Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) verschwinden. Auch mit Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) ist Eichstädt-Bohlig unzufrieden: Berlin ziehe allein durch sein Image Unternehmen und Touristen an, an einer gestaltenden Wirtschaftspolitik fehle es.

Die rot-rote Koalition sieht als einen ihrer Schwerpunkte die Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Auch die Grünen unterstützen die Schulreform, bei der nur noch zwei Schulformen übrig bleiben. Die Koalition habe dahin allerdings erst getrieben werden müssen, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ramona Pop. In der Wissenschaftspolitik dagegen "steht alles auf der Kippe derzeit": Die Verhandlungen über die Verträge mit den Hochschulen stocken, und die Koalition könne ihr Versprechen, 100.000 Studienplätze zu schaffen, nicht bezahlen.

Aber mit wem wollen die Grünen die Koalition nach der nächsten Wahl zum Abgeordnetenhaus in zweieinhalb Jahren ablösen? "Die CDU macht uns nach wie vor die gleichen Avancen wie früher, aber das reicht nicht", so Eichstädt-Bohlig. Eine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP "ist für uns derzeit überhaupt kein Thema". Es gebe bei manchen Themen gleiche Interessen in der Opposition, da arbeite man dann zusammen, um den Senat zu treiben. Eine Koalition sei derzeit nicht absehbar, das hänge auch davon ab, wie die neuen Spitzenleute der anderen Parteien sich profilieren. Der neue Partei- und Fraktionsvorsitzende der CDU, Frank Henkel, sei bisher noch mit seiner eigenen Partei beschäftigt und im Parlament in seiner neuen Rolle noch nicht groß aufgefallen. Das gelte auch für den designierten FDP-Fraktionsvorsitzenden Christoph Meyer.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!