Grüne Vizebürgermeisterin in Frankfurt: "Schwarz-Grün fühlt sich gut an"
Die Zutaten für eine gelungene Koalition zwischen Union und Grünen: Man nehme einen liberalen CDU-Bürgermeister, ein paar unbequeme Kompromisse und lasse Knackpunkte weg.
taz: Frau Ebeling, wie fühlt sich schwarz-grünes Regieren an?
Selbst beim Zustandekommen einer schwarz-grünen Koalition in Hamburg hätte das Modell im Bund vorerst kaum eine Chance. CDU-Chefin Angela Merkel betonte am Samstag in Berlin, zwar funktioniere schwarz-grünes Zusammenarbeiten bereits auf lokaler Ebene. Im Bund sehe sie eine Mehrheitsbildung jedoch zunächst mit der FDP. Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast und Fraktionsvize Jürgen Trittin zeigten sich skeptisch. Künast schloss in der Wirtschaftswoche eine schwarz-grüne Koalition nach der Bundestagswahl 2009 zwar nicht aus: "Wir sind nicht mehr auf Rot-Grün fixiert, schon deshalb, weil es rein rechnerisch nicht mehr reicht." Es gebe aber bei Klimaschutz und Sozialpolitik Differenzen. Schwarz-Grün auf Bundesebene 2009, das halte ich für unwahrscheinlich", sagte Künast. Trittin äußerte sich im Focus ähnlich: Die Grünen stünden der SPD und der Linken inhaltlich vielfach näher als der Union.
JUTTA EBELING, 61, ist seit 2006 Bürgermeisterin von Frankfurt/Main und damit Stellvertreterin von Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU).
Jutta Ebeling: Es fühlt sich gut an. Wir haben in Frankfurt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die von Verlässlichkeit und Respekt geprägt ist, auch in Konfliktfällen. Das war bei Rot-Grün in Frankfurt leider nicht immer so. Das Viererbündnis wiederum war allzu oft kommunalpolitischer Stillstand, wir hatten uns gegenseitig gelähmt.
Raten Sie Ihren Hamburger Kollegen zu Schwarz-Grün?
Ich will keine unverlangten Ratschläge erteilen
Ist ein besonders liberales CDU-Exemplar als BürgermeisterIn wie Petra Roth in Frankfurt oder Ole von Beust in Hamburg die entscheidende Bedingung für eine funktionierende schwarz-grüne Koalition?
Das ist eine wichtige Voraussetzung, aber es kommt auch auf die anderen Protagonisten und das Programm an.
Muss eine großstädtische CDU soziale Zugeständnisse machen, die den Graben zwischen CDU und der grünen Besserverdienerpartei schließen?
Großstädtische Politik muss sich an der Vielfalt der Lebensentwürfe und der unterschiedlichen sozialen Lebenssituation orientieren. Sie muss soziale Spaltung überwinden. Die Grünen sind keine Besserverdienerpartei, sondern sind sich ihrer sozialen Verantwortung sehr bewusst, gerade weil die grünen Wählerinnen und Wähler im Vergleich ein höheres Bildungsniveau haben als andere.
Hamburgs grüne Spitzenkandidatin Christa Goetsch hat Bildung als Unvereinbarkeitsmoment definiert.
Gerade weil Christa Goetsch Bildungsexpertin ist, wird sie sich bei der Schulpolitik nicht auf bildungsideologische Grabenkämpfe einlassen, sondern versuchen, Schulen und Eltern bei dem notwendigen Reformprozess mitzunehmen. In Frankfurt haben wir neue Gesamtschulen beschlossen, mit der CDU, weil wir alle wissen, dass der Elternwille nicht ignoriert werden kann.
Hamburger Knackpunkte liegen außerdem im Ökobereich: Elbvertiefung, Kohlekraftwerk Moorburg. Wie haben Sie das in Frankfurt mit dem Flughafen gemacht?
Anders als beim Flughafen Frankfurt, bei dem das Land Hessen in der Pflicht ist, liegt die Entscheidungskompetenz für diese neuralgischen Punkte tatsächlich beim Stadtstaat Hamburg. Wo wir in Frankfurt im Koalitionsvertrag den Dissens festgestellt haben, müssten in Hamburg Kompromisse zu diesen Themen gefunden werden.
Was macht man mit Knackpunkten? Umschiffen, ignorieren, zu Tode verhandeln?
Zunächst mal sollten Knackpunkte überhaupt nicht vorzeitig formuliert werden. Mit Knackpunkten in Verhandlungen zu gehen, damit habe ich in jeder Konstellation schlechte Erfahrungen gemacht. In Verhandlungen geht man mit offenem Visier und setzt das Scheitern nicht voraus. Nur so lassen sich Kompromisse erarbeiten, die tragfähig sind und zu denen beide Seiten auch stehen müssen.
Glauben Sie, schwarz-grüne Bündnisse sind die Zukunft im Fünfparteiensystem?
Sie sind eine Option, insbesondere wenn sie die großen Koalitionen des Stillstands verhindern.
Hätten Sie auch eine "Schwampel" mit CDU und FDP gemacht?
Das hätte eine Option sein können, wenn auch nicht gerade die prickelndste. Demokratische Parteien sollten grundsätzlich kooperationsfähig sein. Wenn, wie jetzt in Hessen, jegliche Zusammenarbeit von vornherein ausgeschlossen wird, dann führt das in die Sackgasse der Bewegungs- und damit Politikunfähigkeit.
INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN
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