Grüne Technik auf der Automesse in Paris: Testosteron siegt über Ökogewissen

Beim Pariser Autosalon interessieren sich die überwiegend männlichen Besucher meist für die Spritschleudern. Dabei herrscht auf der Messe die grüne Welle.

Bei Ökoautos kochen die Gefühle nicht so leicht hoch. Bild: reuters

So gefährlich können Ökoautos sein: Rémy Marchadier sitzt hinter dem Steuer seines Fiat 500-Fahrsimulators "Eco Drive", drückt aufs Gas, lenkt nach rechts und knallt gegen eine Häuserwand. Dann umkurvt er haarscharf die Gäste eines Straßencafés, ehe er auf die Fahrbahn gelangt. Bis 40 km/h bleibt er im ersten Gang, und hätte der Simulator einen Soundchip, könnte man den Motor seines Wagens jaulen hören.

Einem älteren Herrn am Renault-Stand ergeht es nicht besser. Er schlingert über die Landstraße, weicht gerade noch dem Gegenverkehr aus und landet im Graben. "Merde!", ruft der Mann. "Ich habe mich so auf den Spritverbrauch konzentriert, dass ich nicht auf die Straße gucken konnte."

Auf der Pariser Automesse "Mondial de lAutomobile", die noch bis Ende nächster Woche geöffnet ist, zeigt sich: Öko will geübt sein. Die grüne Welle hat endgültig die Autokonstrukteure erreicht, vor allem ihre Marketingabteilungen: Ökoautos, Sprit sparen, Verantwortung für die Umwelt, grüne Technik - die Schlagworte dominieren die Messe.

Tatsächlich sind Neuheiten zu sehen, die auf Öko- und Ölkrise eine Antwort versuchen: der Toyota IQ und der Hyundai i20, leichte, kleine Cityflitzer, eine Version des Ford Fiesta mit 3,7 Litern Verbrauch, ein VW Golf Blue Motion mit ähnlichen Werten. Rund ein Drittel der Neuheiten seien entweder Hybrid- oder Elektrofahrzeuge, heißt es vom Verband der Autohersteller CCFA.

Sie werben, wie etwa bei Renault, mit "100 Prozent elektrisch" für ein gutes Ökogewissen und behaupten, E-Autos verursachten "keine CO2-Emissionen". Vielleicht sollten sich um diesen Slogan mal die Verbraucherschützer kümmern - denn immerhin gibt selbst der französische Atomstromkonzern EDF an, seine Elektrizität verursache im Schnitt 50 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Und zumindest für den deutschsprachigen Markt sollten die Mitsubishi-Strategen den Namen ihres Batteriewagens überdenken: Ob ein "i-Miev" so gut ankommt?

Von Finanzkrise, Kaufkraftverlust oder Rezessionsängsten spürt man auf der "Mondiale" nichts. Mit leuchtenden Augen und vollen Tüten drängen sich die meist männlichen Besucher (Frauen kommen vorzugsweise als Hostessen daher) andächtig um die glänzenden Boliden und zeigen, warum diese Veranstaltung Automesse heißt.

Denn wichtiger als all die Ökopflicht ist natürlich die PS-Kür. Mercedes präsentiert unter einem Film zu "Blue Efficiency" den GLK mit 10,8 Litern Verbrauch, und selbst die S-Klasse mit Hybridtechnik kommt noch auf 7,4 Liter. Wie gut, dass man sich da gegen den Maybach absetzen kann, der nebenan vorgestellt wird und deren superpotenten Käufern die 16,4 Liter Verbrauch auch nicht mehr wehtun.

Jeep hat sich am Rand der Halle breitgemacht mit Straßenpanzern, von denen keiner auf der Effizienzskala von A bis F besser abschneidet als mit E. Renault stellt sein neues Laguna-Coupé unter die Überschrift "Plaisir", während die Ökoargumente streng rational daherkommen. Audi schließlich wirbt für seinen Geländewagen Q7 damit, er habe am "Great American Roadtrip", einem "Mileage Marathon", teilgenommen - bei drei Litern Hubraum und 9,1 Litern Verbrauch.

Vergessen die Zeit, als Audi das 3-Liter-Auto A 2 auf den Markt brachte und ihn mangels Absatz wieder einstellte. Im Audi-Shop findet der Fan eine ganze Regalwand voller Modellautos aus der Geschichte des Ingolstädter Konzerns. Der A 2 fehlt.

Leer ist es in diesem testosteronhaltigen Gedränge nur hinter Halle 7. Gelb flattern die Fahnen von BP im Wind, auf dem Parkplatz wartet eine Armada von Autos auf Testfahrer. Im leeren Anmeldezelt langweilen sich Berater an den Ständen von Fiat, Ford, Renault, Peugeot und BMW. Was gibt es hier, das niemanden interessiert? "Weiterbildung zur Ökofahrweise".

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