Grüne Promis einig: Parteiräson schwächt Grundeinkommen
"Grüne Grundsicherung" oder ein Grundeinkommen für alle - das ist die Frage auf dem grünen Parteitag in Nürnberg. Den Verfechtern von Antwort zwei fehlen prominente Fürsprecher.
Bis vor kurzem war Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer ein prominenter Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens. Um den Parteitag der Grünen, der am Wochenende in Nürnberg stattfindet, nicht in die Katastrophe zu führen, hat er seine Position nun aber revidiert. "Ich unterstütze den Bundesvorstand", sagte Palmer der taz am Freitag.
Der grüne Bundesvorstand unter Reinhard Bütikofer schlägt dem Parteitag in Form der "grünen Grundsicherung" zwar auch ein Sozialreformprogramm vor - freilich ein viel moderateres als das Grundeinkommen für alle. Grundeinkommen oder Grundsicherung - das ist die wichtigste Frage, die die Delegierten in Nürnberg entscheiden müssen. Für das Grundeinkommen plädieren viele Mitglieder aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Sie fordern, dass alle Bundesbürger ohne Bedingungen 420 Euro pro Monat vom Staat erhalten. Hartz IV und die unter Rot-Grün beschlossene Agenda 2010 wären Geschichte. Die Befürworter der Grundsicherung, allen voran die fünf Spitzengrünen Bütikofer, Claudia Roth, Renate Künast, Fritz Kuhn und Jürgen Trittin, wollen das Hartz-IV-System dagegen prinzipiell beibehalten, aber abmildern. Sie schlagen höhere Leistungen vor und Investitionen ins Bildungssystem, was bis zu 60 Milliarden Euro pro Jahr kosten würde.
Eigentlich geht Boris Palmer diese Position nicht weit genug. Deshalb hat er den Antrag zum Grundeinkommen aus Baden-Württemberg mit unterzeichnet. Heute aber will er dagegen stimmen. "Seit Göttingen hat sich etwas verändert", sagt Palmer. Während des vergangenen grünen Parteitages in Göttingen hatte der Bundesvorstand eine drastische Niederlage erlitten. Die Basis rebellierte gegen die Entsendung von Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan. Sollte der Parteitag sich nun für das Grundeinkommen aussprechen, "so würde das nach dem Abschied von der außenpolitischen Regierungsfähigkeit als Abschied von der sozialpolitischen Regierungsfähigkeit interpretiert", sagt Palmer. Er will seine Partei im Spiel halten, damit sie nach der Bundestagswahl 2009 koalitionsfähig bleibt. So wie er, werde sich auch der zweite prominente Befürworter des Grundeinkommens, der Bremer Umweltsenator Reinhard Loske, verhalten, sagt Palmer.
Damit haben die Verfechter des Grundeinkommens ein Problem: Ihnen fehlen prominente Fürsprecher. Bleiben noch der Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick und die Umweltpolitikerin Sylvia Kotting-Uhl, die aber nicht so einflussreich sind wie Palmer oder Loske. Palmer geht davon aus, dass die Anhänger des Grundeinkommens höchstens 30 bis 40 Prozent der Delegierten auf ihre Seite ziehen können.
Unterdessen hat sich der Streit über den Grünen-Finanzexperten Oswald Metzger zugespitzt. Fraktionschefin Renate Künast forderte Metzger zum Parteiaustritt auf, was der jedoch ablehnt. Metzger bekräftigte sogar noch einmal seine Aussage, wonach Sozialhilfeempfänger vor dem Fernseher sitzend Kohlehydrate oder Alkohol in sich hinein stopften. Künast nannte Metzger daraufhin einen "arroganten Bildungsbürger". Gegenüber der taz hatte der Finanzpolitiker gesagt: "Ein politisches Leben gibts auch jenseits von bestimmten Parteien", er würde "die Grünen vermissen".
Mittlerweile kommunizieren beide Seiten vorzugsweise über die Medien. Der Thüringer Allgemeinen sagte Künast: "Wenn er gehen will, soll er das tun und nicht den Parteitag als seine Showbühne missbrauchen." Und Grünen-Chefin Claudia Roth sagte Spiegel Online: "Metzger muss sich schämen, und da ist eine richtige Entschuldigung fällig."
Metzger wies sämtliche Forderungen gegenüber dem Fernsehsender N24 zurück. Das trifft sich - seiner Meinung nach sitzen vor dem Bildschirm ja jene, über die die Grünen in Nürnberg diskutieren.
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