Grüne Präsidentschaftskandidatin Eva Joly: Linie kommt vor Prominenz
Die französischen Grünen haben ihre Kandidatin für die Präsidentenwahl 2012 gewählt. Eva Joly stach den prominenten Favoriten Nicolas Hulot aus.
PARIS taz | In einer Stichwahl haben die französischen Grünen und ihre stimmberechtigten Sympathisanten die frühere Untersuchungsrichterin Eva Joly als Präsidentschaftskandidatin für 2012 nominiert. Sie erhielt nach offiziellen Angaben etwas mehr als 58 Prozent der Stimmen, ihr Konkurrent, der sehr bekannte Abenteuer- und Naturfilmregisseur Nicolas Hulot unterlag mit 41,3 Prozent.
Er hat am Dienstag noch vor der Bekanntgabe der endgültigen Ergebnisse Joly zu ihrem Sieg und ihrer Nominierung gratuliert. Diese Geste der Fairness wird bei den "Europe-Ecologie-Les Verts" (EELV) besonders geschätzt, da es in der Endphase dieser Primärwahlen zwischen den beiden Kandidaten ziemlich ruppig zugegangen war.
Für eine Überraschung hatte Joly im ersten Wahlgang gesorgt, bei dem sie bereits um ein Haar (mit 49,75%) auf Anhieb die Nominierung geschafft hätte. Zu den Wählern der aus Norwegen stammenden Joly gehört auch der Fraktionschef der Grünen im Europaparlament, Danny Cohn-Bendit, der einräumt, er habe selber nicht ernsthaft daran geglaubt habe, dass es Joly in diesem Rennen um die Nominierung schaffen könnte.
Alle Umfragen hatten Hulot, der lange gezaudert hatte, bevor er dann im März ins Rennen ging, einen Triumph und eine sichere Nominierung vorausgesagt. Ausgerechnet seine Bekanntheit als TV-Prominenter, die ihn auf dem Papier zum klaren Favoriten machte, hat sich nun am Ende bei dieser basisdemokratischen Ausscheidung, in der andere Regeln gelten, als Nachteil erwiesen.
Den Mitgliedern der grünen Partei erscheint Joly, die seit Monaten alle lokalen Treffen und Debatten besucht hat, offenbar menschlich und ideologisch viel näher und vertrauenswürdiger als der Fernsehstar, der seit Oktober 2010 im Magazin Paris Match die Liste der populärsten Franzosen anführt.
Traditionelle grüne Positionen
Während Hulot in strategisch wichtigen Fragen wie der Atomenergie oder der Zusammenarbeit mit dem bürgerlichen Zentrum für Offenheit plädierte, verteidigt Joly traditionelle grüne Positionen und die bisherige Wahlallianz mit der Linken. Sie erwies sich auch als die bessere Wahlkämpferin, die ihren vermeintlichen Rückstand in einen Vorsprung zu verwandeln verstand.
Bevor Joly nun als nominierte EELV-Kandidatin im August in Clermont-Ferrand ihre Präsidentschaftskampagne offiziell lancieren kann, muss sie als Erstes die grüne Familie nach den Sticheleien und Gehässigkeiten der Primärwahlen versöhnen. Wird sie außer der Stimme von Danny auch den Segen anderer namhafter französischer Grünen bemühen, die wie der Globalisierungskritiker José Bové oder Parteichefin Cécile Duflot im Unterschied zu ihm den Konkurrenten Hulot unterstützt hatten?
Ob dieser selber noch an der Seite von Joly mit von der Partie sein wird und ob er in dieser Partei bleibt, die ihn nicht als Kandidaten will, ist derzeit offen. "Jetzt ist es an der Zeit nachzudenken und zu analysieren, die Stunde der Entscheidung kommt später", meinte Hulot vielsagend. Er wird nicht Kandidat der Grünen sein, aber das schließt eine Kandidatur ohne Partei nicht aus.
Die EELV-Kandidatin Joly, der zurzeit 7 Prozent Wählerpotenzial gegeben wird, strebt bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 2012 ein zweistelliges Resultat an, und jedenfalls weit mehr als die 1,57%, die ihre Vorgängerin Dominique Voynet 2007 erzielte. Für den Fall, dass eine solche grüne Dynamik – trotz Fukushima-Effekt – nicht entstehen sollte, befürwortet ihr Mentor Cohn-Bendit einen Verzicht zu Gunsten des Kandidaten oder der Kandidatin der sozialistischen Linken.
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