Grüne EU-Politikerin über Afghanistan: "Lächerlich wenig deutsche Ausbilder"
Die grüne EU-Politikerin Franziska Brantner kritisiert Strukturen beim zivilen Aufbau in Afghanistan. Die EU springe ohne klare Strukturen nur von Mission zu Mission.
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taz: Frau Brantner, am Sonntag kommt der Nato-Oberbefehlshaber Stanley McChrystal nach Berlin, um hier um mehr Polizeiausbilder für Afghanistan zu bitten. Dabei hat doch die EU die Polizeimission übernommen. Woran krankt Eupol?
Franziska Brantner: Eupol krankt an denselben Widersprüchen wie die anderen zivilen Aufbaumissionen in Afghanistan. Es wird ganz viel gefordert und versprochen - aber um die Umsetzung hat sich keiner Gedanken gemacht. Gemessen daran, dass weit über 80.000 afghanische Polizisten ausgebildet werden müssen, ist es lächerlich, wie wenige Ausbilder wir schicken. Das haben die Deutschen dadurch nicht besser gemacht, dass sie inzwischen wieder eine eigenes Projekt aufgezogen haben. Jetzt konkurrieren die beiden Missionen um die Bewerber.
Warum ist die Politik immer noch überrascht davon, wie schwierig der Polizeiaufbau ist?
Es wird offenbar für gegeben gehalten, was erst geschaffen werden muss: eine Kapazität für Polizei-Auslandseinsätze, europäisch koordiniert. Nach dem Einsatz in Bosnien hätte man sagen müssen: Das wird in Zukunft auch anderswo gebraucht, da müssen wir reinbuttern. Stattdessen springen wir ad hoc und ungenügend vorbereitet von einer Mission in die nächste.
Die Grünen verlangen stets am lautesten mehr Polizisten.
Ja, und auch wir Grünen haben zu wenig bedacht, was es bedeutet, zivile Hilfe in Aussicht zu stellen, und welche Strukturen man dafür schaffen muss. Bisher müssen die Bundesländer die Polizisten selbst zahlen, auch wenn sie weg sind. Also muss der Bund erst mal die Kosten übernehmen, dass es in jedem Bundesland einen Prozentsatz an Beamten zusätzlich gibt, speziell für Auslandseinsätze. Werden sie dafür nicht gebraucht, müssen sie in den deutschen Dienst integriert sein. Wir wollen keine Kaserne für Auslandspolizisten.
Es gibt seit 2000 eine EU-Polizeieinheit für Kriseneinsätze mit fast 6.000 Leuten, von denen 1.400 binnen 30 Tagen einsatzfähig sind. Wo sind die alle?
Das sind virtuelle Polizisten. Deutschland etwa soll zu der Einheit circa 900 Leute beitragen, rechnet das dann aber so, dass davon ja jeweils 300 in der Vor- und in der Nachbereitung seien. So sind es dann nur noch rund 300, und die seien ja schon unterwegs, heißt es dann.
Wäre es nicht sinnvoller, den USA das Geld für den Polizeiaufbau zu geben und zu sagen: Macht ihr es gleich selbst?
Nein, ich finde, das geht nicht. Die EU hat zu den USA gesagt: Ihr könnt das Militärische besser, aber wir das Zivile. Es kann nicht sein, dass man die Amerikaner nun sagen lässt: Das Zivile könnt ihr auch nicht.
Warum gibt es in Deutschland keine Debatte darüber, was die EU kann und können sollte?
Ich finde es unsäglich, dass die Bundesregierung EU-Militärmissionen zustimmt und Bundeswehrsoldaten sendet, ohne dass der Bundestag dies diskutiert - etwa über die neue Mission für Somalia. Die Aufmerksamkeit der Bundespolitik richtet sich danach, wer als Zuständiger für ein schönes Foto posieren kann. In Brüssel findet es mancher auch ganz gut, nicht weiter gestört zu werden. Das kann nur aufgebrochen werden, wenn die nationalen Politiker für EU-Politik Verantwortung übernehmen.
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