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GründungswelleVorhang auf für alle

Kulturlogen sind Initiativen, die nicht verkaufte Eintrittskarten an Bedürftige vermitteln. Nachdem die Hamburger Kulturloge vor ein paar Monaten die Arbeit aufgenommen hat, wird die Idee derzeit auch in Hannover, Göttingen und Celle aufgegriffen

Da, wo Plätze leer und Veranstalter spendabel sind, kommen die Kulturlogen ins Spiel. Bild: dpa

HANNOVER | taz "Es tut mir in der Seele weh, wenn ich im Konzert oder im Theater bin und da bleiben Plätze frei." Als Ingrid Ehrhardt, Geschäftsführerin des Freiwilligenzentrums Hannover, dann von der Idee der Kulturlogen erfuhr, war ihr klar, dass sie eine solche Einrichtung für Hannover gründen wollte. Kulturlogen sind Initiativen, die nach dem Tafel-Prinzip funktionieren: Kulturveranstalter stellen den Kulturlogen kostenlos nicht verkaufte Tickets zur Verfügung und die Kulturlogen vermitteln diese Tickets weiter an Menschen mit wenig Geld.

Die Idee wird derzeit vielerorts in Norddeutschland aufgegriffen. Ehrhardts hannoversche Kulturloge befindet sich in der Gründungsphase, ebenso wie Kulturlogen in Göttingen und Celle. In Hamburg gibt es die Einrichtung bereits seit Januar 2011. Dort gehe es aber immer noch darum, sich und das Prinzip der Kulturlogen bekannt zu machen, sagt Sprecherin Ute Kruse-Fischer. "Es reicht einfach nicht, nur Flyer auszulegen. Etwa bei den Familienbetreuungen hier in Hamburg sind wir ganz stark auf die Hilfe der Mitarbeiter angewiesen. Sie wissen, welche ihrer Leute Kulturveranstaltungen gegenüber aufgeschlossen sein könnten."

Wer von einer Kulturloge Freikarten vermittelt bekommen möchte, muss nachweisen, dass sein Einkommen unter 900 Euro liegt. Mitunter ist erst eine Woche oder auch nur ein paar Tage vor einer Veranstaltung klar, ob und wie viele Karten vermittelt werden können. "Da muss es dann schnell gehen", sagt Kruse-Fischer.

Kulturlogen im Norden

Hamburg: Seit Januar 2011 vermittelte sie 600 bis 700 Karten. Aktuell: Ausbau der Veranstalterkooperationen und Fundraising. 30 ehrenamtliche Mitarbeiter.

Hannover: Projektgruppe des Freiwilligenzentrums Hannover eingerichtet. Gründung einer Kulturloge für 2012 geplant. Will Karten auch an Auszubildende und Studenten vermitteln.

Göttingen: Arbeitsgruppe aus Vertretern aus Wissenschaft, sozialen Einrichtungen, Kirchen und Politikern, hervorgegangen aus SPD-Arbeitskreis. Erste öffentliche Podiumsdiskussion zum Auftakt der Gründungsphase mit Beteiligung der Stadt. Großer Bedarf an Ehrenamtlichen.

Celle: Antrag zur Einrichtung einer Kulturloge Anfang 2011 von einer Gruppe um die SPD-Politikerin Gudrun Jahnke. Bereits Kontakte zu Veranstaltern wie dem Schlosstheater und der CD-Kaserne. Wunsch nach Zusammenarbeit mit Freiwilligeninitiativen.

Inzwischen verfügt Hamburg über ein eigenes Büro und erhält Eintrittskarten von aktuell 26 Veranstaltern. Jede Karte wird persönlich per Telefon vermittelt und ist mit einer zusätzlichen Karte für eine Begleitperson ausgestattet.

Nicht alleine gehen zu müssen und persönlich am Telefon eingeladen zu werden, das ist ein Service, der den Erfolg der Kulturlogen ausmacht. Dies hat Birgit Mandel, Leiterin des Fachbereichs Kulturvermittlung und Kulturmanagement an der Universität Hildesheim, jüngst durch Befragung der Gäste der Kulturloge Berlin herausgefunden. "Oftmals ist es so, dass die Angerufenen überhaupt nichts mit so einer Kultureinrichtung verbinden, und dann sind es auch wieder diese Vermittlerinnen und Vermittler, die deutlich machen, dass es sich lohnt, sich auf ein solches kulturelles Experiment einzulassen."

95 Prozent der Befragten fühlten sich nach den Theater- oder Konzertbesuchen sehr bereichert. Zwar ist der Anteil an Akademikern unter den Kulturlogen-Gästen hoch. Zu einem Drittel erreichen die Kulturlogen laut der Studie aber auch niedrig oder mittel Gebildete.

In Hannover hat man solche Erfahrungswerte noch nicht: Die dortige Kulturloge soll 2012 ihre Arbeit aufnehmen. "Wir möchten uns mit der Stadt Hannover, den kulturellen und sozialen Einrichtungen an einen Tisch setzen und alle Vor- und Nachteile diskutieren. Ein halbe Stelle für die Koordination bräuchten wir aber schon", sagt Ingrid Ehrhardt. Den Antrag an die Stadt will das Freiwilligenzentrum bis Ende des Jahres stellen.

Die Stadt Hannover ist einer Kulturloge gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen. Nur möchte man eine Konkurrenz mit dem Hannover Aktiv-Pass ausschließen, sagt Stadt-Sprecherin Anja Menge. Dieser Pass berechtigt Hartz-IV-Empfänger zum ermäßigten Eintritt - in der Regel auf den unteren Platzkategorien - etwa in die Staatsoper oder das Schauspiel Hannover. Vor Beginn der Veranstaltung muss dieser mit dem Personalausweis zur Kontrolle vorgezeigt werden. Das ist etwas, was der Gast einer Kulturloge nicht tun muss. Er steht auf einer Gästeliste oder hat die Karten vorab erhalten.

Die Ur-Kulturloge entstand in der mittelhessischen Universitätsstadt Marburg. Von da nahmen die Geschäftspartnerinnen Angela Meyenburg und Julia von Weymarn die Idee mit in die Großstädte Berlin und Hamburg. Weymarn leitet heute die Kulturloge Hamburg. In Berlin erhält das Team um Meyenburg bisher Karten von nur drei mit öffentlichem Geld subventionierten Häusern. Den Rest der monatlich fast zweitausend vermittelten Karten stammt von privat geführten Häusern.

In Hamburg ist das ein noch heikleres Thema: Trotz guter Vernetzung ist Julia von Weymarn bei den öffentlich geförderten Veranstaltern wie beispielsweise den großen städtischen Theatern und der Staatsoper noch nicht besonders weit gekommen. "Von sich aus hat uns noch kein öffentliches Haus Karten angeboten", sagt Kulturlogen-Sprecherin Ute Kruse-Fischer.

Für Kulturwissenschaftlerin Mandel ist das nicht zu verstehen. "In Deutschland erreichen Kulturveranstaltungen sowieso nur etwa acht Prozent der Bevölkerung. Zudem ruhen sich viele Häuser auf ihren, im weltweiten Durchschnitt hohen, Subventionen aus und lassen die Plätze leer. Noch. Denn die traditionelle Bildungsbürger- und Kulturnutzerschicht bricht auf Grund des demografischen Wandels langsam weg." Wenn die Auslastungszahlen weiterhin vorzeigbar bleiben sollen, müssen die Theater auf diese Entwicklung reagieren.

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