Großflughafen vor der Eröffnung: Friedensengel fliegen auf Schönefeld
Die Regierungschefs Klaus Wowereit und Matthias Platzeck werben für den Airport - zusammen mit noch größeren Staatsmännern.
Was Willy Brandt über ein derartiges Lovebombing sagen würde – unklar. Der neue Großflughafen in Schönefeld wird den Beinamen des früheren Bundeskanzlers tragen, der 1992 starb. Am Freitag im Roten Rathaus ist Willy omnipräsent. Der eigentliche Zweck des Termins, die Vorstellung einer Pro-Airport-Kampagne, ist schnell vergessen. Auf verschiedenen Plakaten schüttelt Brandt lächelnd Hände, auch US-Präsident Barack Obama ist dabei, darüber der Slogan „Willy Brandt begrüßt die Welt“. Friedensnobelpreisträger unter sich.
Hinter dem Podium hängt ein überdimensioniertes Foto vom künftigen Rollfeld. Auch hier strahlt ein lebensgroßer Brandt in Schwarz-Weiß. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD) geraten ins Schwärmen. „Brandt ist im Osten vergöttert worden“, sagt Platzeck. Und Wowereit erklärt Brandt zu seinem politischen Vorbild. Schließlich habe der sich für Freiheit und Frieden in Europa eingesetzt. „Wir hoffen, dass künftig der Name Willy Brandt mit dem neuen Flughafen in Verbindung gebracht wird“, sagt er. Dann geht das Licht aus für den Kampagnenfilm.
Piano-und Streicherklänge, kurze Aufnahmen von Berliner Sehenswürdigkeiten wechseln mit historischen Aufnahmen: Kriegstrümmer, Luftbrücke, Mauerbau, Kennedy-Besuch, Mauerfall – und immer wieder Willy Brandt. Mal visuell, mal verbal.
Deutsche Einheit fertig
Nur: Was hat der ganze Film mit dem neuen Berliner Flughafen zu tun? „Es entspricht unserer Idee und unserer Überzeugung, Brandt in den Mittelpunkt zu rücken“, sagte Ralf Kunkel, Sprecher der Flughafengesellschaft, der taz. Mit dem neuen Airport werde die deutsche Einheit in der Hauptstadt abgeschlossen. Der PR-Film soll in rund 250 Kinos der Region und auch im regionalen und bundesweiten Fernsehen laufen. Kunkel findet die von der Flughafengesellschaft getragenen Werbekosten von einer Million Euro angemessen, der Eröffnungstermin am 3. Juni sei noch nicht jedem geläufig.
Die Werbeagentur Scholz & Friends, die das Video produziert hat, konnte bis zum Redaktionsschluss nicht herausfinden, woher das Foto von US-Präsident Obama stammt. Nach Auskunft des Media Office des Weißen Hauses dürfen aber sämtliche Obama-Fotos auf dem Fotoportal flickr ohne Genehmigung genutzt werden. JOHANNES KULMS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste