Großes Polizeiaufgebot bei Fußballderby: Polizei macht auf dicke Hose

Beim Derby zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli droht Randale. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot am Start und setzt auf G20-Methoden.

Behelmte Polizist*innen stehen im St. Pauli-Block

Beim Derby zwischen dem HSV und St. Pauli 2011 mittendrin: Polizist*innen Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Vorboten des Fußball-Derbys hingen in der Luft. Am vergangenen Mittwochmorgen baumelten acht aufgeknüpfte Strohpuppen – angemalt in Braun-Weiß, den Vereinsfarben des FC St.Pauli – unter Brücken auf Autobahnen und Einfallstraßen nach Hamburg. Die „geschmack- und hirnlose Aktion“, so Hamburgs Polizeisprecher Timo Zill, stimmte schon mal ein auf das, was dieses Wochenende passieren könnte: Beim Hamburger Fußball-Derby zwischen dem in die zweite Liga abgestiegenen HSV und dem anderen großen Fußballverein der Stadt, dem Zweitligisten FC St. Pauli, das am Sonntag erstmals seit siebeneinhalb Jahren ausgetragen wird, geht es nicht nur um fairen Wettkampf und ein Fußballfest – es geht auch um die Auseinandersetzung verfeindeter Fangruppen.

Seit Wochen schon kam es immer wieder zu Scharmützeln zwischen den Anhängern beider Vereine. Am Donnerstag der Vorwoche sollen etwa 30 Pauli-Fans in einer Halle in Eidelstedt auf sechs HSV-Ultras losgegangen sein, die eine Choreo für das Derby vorbereiteten. Die Materialien wurden zerstört, zwei Männer sollen verletzt worden sein.

Daraufhin veröffentlichten HSV-Hooligans im Internet einen Aufruf zum „Pauli-Klatschen“. Jeder mit St. Pauli-Klamotten solle verfolgt werden. Am Abend danach zogen rund 100 HSV-Hooligans mit Sturmhauben über St. Pauli – offensichtlich auf der Suche nach gegnerischen Fans. Die Polizei verhinderte eine Konfrontation, nahm sechs Männer in Gewahrsam. Die offenen Rechnungen wurden somit aufs Derby-Wochenende vertagt.

Akribisch und in enger Zusammenarbeit mit beiden Vereinen bereitet sich die Polizei nun auf das Zusammentreffen vor. Sie rechnet mit 350 gewaltbereiten Fans auf jeder Seite, die von zugereisten Krawall-Anhängern anderer Vereine unterstützt werden könnten. Hooligans des FC Kopenhagen haben sich bereits angekündigt, die „Problemklientel“ des HSV zu unterstützen, auch aus Hannover und Lübeck werden „erlebnisorientierte“ Gruppen erwartet.

Auf der anderen Seite wollen sich mit den St.-Pauli-Ultras nicht-pazifistisch orientierte Fans aus Babelsberg, Bremen und Bayern verbünden. Insgesamt rechnet die Polizei mit rund 1.000 gewaltbereiten Personen, die zum Großteil schon an diesem Samstag in der Stadt sein werden. Die Nacht auf den Sonntag gilt bei der Polizei als erste heiße Phase möglicher Eskalation.

Die Polizeiführung gibt sich optimistisch – etwa so optimistisch wie vor einem Jahr vor dem Hamburger G20-Gipfel. „Wir können Derby“, tönt Polizeisprecher Timo Zill und zählt dann das Repertoire an Mensch, Tier und Gerät auf, das zum Einsatz kommen wird. Bundespolizei, Hunde- und Pferdestaffeln, Helikopter, KollegInnen aus Schleswig-Holstein, Landesbereitschaftspolizei, Alarm-Einheiten, szenekundige BeamtInnen, eine hohe Zahl an Zivilpolizisten und mobile Videoteams. Die sollen ihre Bilder so schnell auswerten, dass Straftäter noch vor Ort eindeutig identifiziert werden können.

Vorverurteilung von Fans

Und nicht nur die Polizei soll filmen: Die Polizei bittet schon vor dem Derby die BürgerInnen ganz präventiv darum, Straftaten aufzuzeichnen und ihr die Dateien zukommen zu lassen. Ein entsprechendes Hinweis-Portal zum Upload von Fotos und Videos ist seit Freitag freigeschaltet. Die Botschaft ist klar: Niemand der straffällig wird, darf damit rechnen, unbeobachtet und unidentifiziert zu bleiben. Auch dieses Vorgehen erinnert an G20. Ob das zusammengetragene Material auch diesmal genutzt werden wird, um öffentlich nach offensichtlich Minderjährigen zu fahnden, mag heute noch niemand sagen.

Aus Reihen des FC St. Pauli gibt es – von der Fan- bis hin zur Funktionärs­ebene deutliche Kritik an dieser polizeilichen Strategie. „Bei dieser Maßnahme liegen wir auseinander“, sagt Vereinssprecher Christoph Pieper. Deutlicher wird der St. Pauli-Fanladen: „Wir lehnen diese Praxis grundsätzlich und gerade im Zusammenhang mit Fußballspielen ab“, heißt es von dort. „Die Verletzung der Persönlichkeitsrechte, die damit einhergeht, sowie die Vorverurteilung aller Fußballfans ist äußerst bedenklich.“

Doch die Polizei ist wild entschlossen, ihr gesamtes Repertoire zu nutzen. „Wir sind auf alles vorbereitet“, verspricht Zill. So rechnet die Polizei damit, dass sich Fangruppen außerhalb des Zentrums zum gegenseitigen Verprügeln verabreden, oder auch damit, dass Fangruppen, die keine Tickets abbekommen haben, versuchen werden, das Stadion zu stürmen.

Wie viele Beamte im Einsatz sein werden verrät Zill nicht, nur dass es sich im Vergleich zu anderen Bundesliga-Partien um einen „deutlich überdurchschnittlichen Kräfteeinsatz“ handeln wird. Von 600 Beamten ist hinter vorgehaltener Hand die Rede, in Wirklichkeit dürften es noch mehr sein.

Sauber voneinander getrennt

Besonderes Augenmerk legt die Polizei darauf, die rivalisierenden Fan-Gruppen zu trennen. Das gilt insbesondere für die Anreise zum Volksparkstadion, wo das Spiel stattfinden wird, für das Spiel selbst und für die Abreise. Die Anhänger des FC St. Pauli treffen sich bereits um 9 Uhr vor „ihrem Stadion“ am Millerntor, von dort aus geht’s zu Fuß zu den Landungsbrücken, mit drei S-Bahnsonderzügen weiter nach Bahrenfeld und von dort mit elf Shuttle-Bussen zum Volksparkstadion.

Beim Public-Viewing am Millerntor, zu dem 15.000 St.-Pauli-Fans erwartet werden, wird die Polizei nur mit einem sehr reduzierten Aufgebot vertreten sein. Erst nach dem Spiel ab etwa 16 Uhr wird im Heimatstadtteil des FC St. Pauli mit Auseinandersetzungen gerechnet. Ein Großaufgebot der Polizei soll dann verhindern, dass die„dritte Halbzeit“ im Chaos endet.

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