: Großer Junge, kleiner Junge
Bisher waren sie auf Teen-Klamauk wie „American Pie“ abonniert. Jetzt haben Paul und Chris Weitz Nick Hornbys Roman „About A Boy“ verfilmt: als charmante, wenn auch etwas erbauliche Komödie
von GERRIT BARTELS
Nick Hornbys Romane haben ihre Tücken, wenn es um die Zweitverwertung im Kino geht. Sie laden zwar förmlich dazu ein, verfilmt zu werden: sind leicht zu lesen und zu verstehen, menscheln über die Maßen und verhandeln sehr erschöpfend populäre Themen wie Fußball und Musik. Gerade Letzteres aber erweist sich bei ihrer Verfilmung als problematisch. Die Obsessionen von Hornbys Figuren und ihr Einfluss auf die jeweiligen Lebensentwürfe lassen sich im fremden Medium nur schwer nachbilden. So war David Evans „Fever Pitch“ mehr eine konventionelle Lovestory und weniger ein Fußballlebensfilm, und so reduzierte sich auch Stephen Frears „High Fidelity“ auf eine flache Entwicklungsgeschichte, in der die Popmusik zum zwar üppigen, letztendlich aber nur schmückenden Beiwerk degradiert wurde.
Insofern war Skepsis angebracht, als sich ausgerechnet die „American Pie“-Regisseure Paul und Chris Weitz des dritten Hornby-Romans, „About A Boy“, annahmen: zwei Spezialisten für gehobenen Teen-Klamauk aus den USA und eine vorwiegend Mittdreißiger ansprechende und leicht moralinsaure Romanvorlage aus Großbritannien? Wie sollte das gehen? Die Weitz-Brüder jedoch sind vorsichtig mit dem Original umgegangen, um nicht zu sagen: ehrfürchtig, und haben ihrerseits eine schöne, romantische Komödie geschaffen. Sie verzichteten, wie ihre beiden Vorgänger, auf jedes Experiment, drehten dafür aber, anders als zum Beispiel Stephen Frears, in London mit größtenteils britischen Schaupielern. Und sie hatten darüber hinaus Glück mit der Besetzung vor allem der beiden Hauptrollen: Hugh Grant als der große Junge Will Freeman und Nicholas Hoult als der kleine Junge Marcus.
Zu guter Letzt kam ihnen natürlich zugute, dass in „About A Boy“ kein Subtext in Form einer Obsession mitläuft, kein Fußball, keine Musik, keine Mode, kein Nichts, und vor allem die Wandlung eines bindungsunlustigen Saulus zum verantwortungsbewussten Paulus der Mittelpunkt von Hornbys Roman ist.
Zwar ist auch Will Freeman eine coole Sau, er weiß, welche HipHop-Platten man hören, welche Fernsehserien man schauen und welche Turnschuhe man tragen muss. Vor allem aber ist er ein Mann, der bequem von den Tantiemen eines Weihnachtsliedes lebt, das sein Vater geschrieben hat, der genug damit zu tun hat, seinen Tag mit Müßiggang gut einzuteilen, und der möglichst ohne Anstrengung zu seinen Liebschaften kommen möchte und dabei allein erziehende Mütter bevorzugt. Kurzum: ein Mann ohne Leidenschaften, ein ewiger Junge, der wiederum durch Hugh Grant geradezu idealtypisch verkörpert wird: oberflächlich, aber sympathisch, glatt, dabei aber auch nett anzuschauen.
Diesem Will laufen nun der zwölf Jahre alte Marcus und seine suizidgefährdete Mutter Fiona (Toni Colette) über den Weg, die beide über die Maßen unhip sind und einen richtigen Kulturschock nicht nur für Will, sondern auch den Zuschauer darstellen: der kleine Marcus mit seiner adretten, aber peinlichen Frisur und seiner komischen Jacke, nun gut. Dazu aber noch seine Mutter als perfekte Achtzigerjahre-Ökofrau, die hatte man sich nach der Lektüre des Buches weiß Gott nicht so schlimm vorgestellt!
Nach einigen Verwicklungen und humorvoll inszenierten Widerständen freunden sich der große und der kleine Junge an und finden endgültig zueinander, als Will bei einem Vorsingwettbewerb in der Schule Marcus bei dessen Vortrag von Roberta Flacks „Killing Me Softly“ auf der akustischen Gitarre begleitet. Das ist schönes Gefühlskino, das nicht ins total Kitschige rutscht, weil beide trotzdem nicht ganz ungeschoren von der Bühne kommen.
Zum glücklichen Ende hin haben sich alle gegenseitig unter die Arme gegriffen und erfolgreich therapiert: Marcus ist cooler geworden und wird von seinen Mitschülern nicht mehr gehänselt; Fiona ist ihre Depressionen losgeworden und hat sich sogar ein bisschen Lockerheit antrainiert; und Will hat nach seiner ersten großen Lebenskrise (das Weihnachtslied, wer bin ich?) erkannt, wie wichtig es ist, ein verantwortungsvolles Leben im Kreise seiner neuen Lieben zu führen: eine Entwicklung, die man selbst dem passionierten Oberflächensurfer Hugh Grant im Verlauf des Films abzunehmen bereit ist. Und aus „About A Boy“, dem hübschen, wohlfeilen Erbauungsbuch, ist so ein genauso hübscher, wohlfeiler Erbauungsfilm geworden, der keine Fragen offen lässt und die Botschaft Hornbys aufs Beste transportiert: Liebe, Freundschaft, Tralala.
„About A Boy“: Regie: Paul und Chris Weitz. Mit Hugh Grant, Nicholas Hoult, Toni Colette, Rachel Weisz u. a. GB/USA/F 2002, 101 Min.
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