Große Sportevents zur selben Zeit: Wembley vs. Wimbledon
Früher haben sich die Organisatoren des mächtigen Tennisturniers mit Olympia angelegt. Heute fordern sie den Fußball heraus.
In der zu Recht immer unbeliebteren Entfernungsangabe von Autominuten beträgt die Distanz zwischen dem Londoner Wembley-Stadion und dem Stadtteil Wimbledon eine halbe Stunde. Kulturell sind es fast hundert Jahre.
1925 nämlich vollzog die International Lawn Tennis Federation (ILTF) den offenen Bruch mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC): kein Tennis mehr bei Olympia, die ILTF terminierte das Wimbledon-Turnier bewusst während der Olympischen Spiele 1928. Profis wie die Französin Suzanne Lenglen, die Amerikanerin Helen Wills, die deutsche Jüdin Nelly Neppach oder der Franzose René Lacoste gehörten zu den ersten Weltstars des Sports. Viel Grund für Tennis-Selbstbewusstsein also.
Auch der Fußball lehnte sich gegen das IOC und sein Amateurstatut auf. Kleiner Unterschied: Die Fifa war schon damals zu mächtig. Anders als andere Wettkämpfe war das Fußballturnier meist ausverkauft. Das IOC musste entgegenkommen. Doch bald auch entschloss sich die Fifa, aus ihrem Sport selbst ein Weltereignis zu machen, und organisierte 1930 in Uruguay die erste Fußball-WM. Das olympische Fußballturnier 1932 wurde im Gegenzug abgesagt.
Und die Tour de France? Der Straßenradsport war von Beginn an bei Olympia dabei, aber nach ihrem Beginn im Jahr 1903 war die Tour neben anderen Klassikern schon bald ein Weltereignis.
Gerade 1928, bei den Spielen im Amsterdam, wurde das attraktive Straßenrennen mit Massenstart wieder eingeführt und zwar für Amateure. Das war Teil eines Machtkampfs. Der Radsportweltverband UCI veranstaltete zum Unwillen des IOC seine Straßen-WM sowohl für Amateure als auch Profis. Henri Desgrange, Mitbegründer der Tour de France, war explizit das IOC angegangen, es müsse dringendst seine Amateurregeln modernisieren.
Während sich die Tennisfunktionäre in den 1920er Jahren mit frischem Selbstbewusstsein gegen das IOC behaupten wollten, waren Fußball und Straßenradsport schon mächtig genug, um sich nicht von den olympischen Herren gängeln zu lassen. Prägend war keine der drei Sportarten für die olympische Geschichte, das überließ man der Leichtathletik, dem Schwimmen oder Turnen.
Mittlerweile sind die Rad- und Tennisprofis zurück in der Vereinigung, die sich Olympische Familie nennt. Nur die Fifa hat noch die Macht, dafür zu sorgen, dass zwar Profis, aber nicht die besten Fußballer der Welt bei Olympia antreten.
Die Tenniswelt fordert mittlerweile den Fußball heraus: Wimbledons Männerfinale steigt am Sonntag, 11. Juli – also dann, wenn 30 Autominuten entfernt die Fußballer ihr EM-Endspiel haben.
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