Große Konzerne unter sich: Kartellamt will Benzinmarkt aufmischen
Mehr als drei Jahre hat das Kartellamt den deutschen Tankstellenmarkt beobachtet. Das Ergebnis: kein Wettbewerb. Nun will es eingreifen.
BERLIN taz | Mehr als drei Jahre lang hat das Kartellamt die Preise an über 400 deutschen Tankstellen beobachtet. Damit sollte endlich bewiesen werden, was das Amt schon lange befürchtet: dass die fünf großen Ölkonzerne echten Wettbewerb verhindern.
Am Donnerstag wurde die Studie vorgestellt. Das Fazit: Es gibt in der Tat ein Oligopol aus fünf Konzernen, von denen kleinere Betriebe völlig abhängig sind.
64,6 Prozent des jährlichen Kraftstoffabsatzes vereinen die großen Konzerne auf sich. Laut Kartellamt sind sie stark miteinander verflochten und voneinander abhängig. Unentwegt würden sich die Betreiber gegenseitig beobachten und danach die Preise angleichen. Dies sei Gift für den Wettbewerb. Die Angleichung verlaufe fast immer nach demselben Muster: Erhöht Aral die Spritpreise, zieht Shell in 90 Prozent der Fälle drei Stunden später nach. Zieht Shell die Preise als Erster an, dann reagiert Aral ebenso genau nach drei Stunden.
Kartellrechtlich legal
Stephan Zieger, der Geschäftsführer vom Bundesverband Freier Tankstellen (BFT), kann die Aufregung um die Preisbeobachtung nicht nachvollziehen. "Wenn dies das Hauptanliegen der Studie war, hätte man das auch deutlich preiswerter bekommen können", sagte er. Beobachtungen finde man in jedem Markt. Laut Kartellamt seien die Erkenntnisse wichtig für den "Oligopolbefund". Kartellrechtlich seien sie aber legal.
Weil kleine Betreiber von den Großkonzernen abhängig sind, können sie laut Studie leicht vom Markt verdrängt werden. Wenn zudem einem Konzern eine freie Tankstelle in der Nachbarschaft ein Dorn im Auge ist, dann könne er an die freie Tankstelle den Kraftstoff teurer verkaufen, als er ihn im Endpreis an den eigenen Tankstellen für den Endverbraucher anbietet. Für den Verbraucher wirke dies wie ein Geschenk.
Praxis seit 2007 verboten
Doch laut Kartellamt müssten sie es spätestens dann zurückbezahlen, wenn der freie Anbieter schließen muss und die Preise bei den großen Ketten in der Nachbarschaft wieder anziehen. Die Praxis ist zwar seit 2007 verboten. Sie sei aber nach wie vor üblich, sagte Stephan Zieger vom BFT.
Das Kartellamt hat angekündigt, gegen die Wettbewerbsbeschränkungen vorzugehen. Klaus Picard, der Chef des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV), machte die Kunden für die Preisentwicklung verantwortlich. Sie würden für einen Cent billigeres Benzin weite Umwege auf sich nehmen. "Jeder Tankstellenpächter weiß, dass er den gesamten Umsatz auf sich zieht, wenn er einen Cent günstiger ist als der Nachbar." Das zwing ihn gleichzuziehen. Ziehe man die Steuern ab, würden die deutschen Benzinpreise zu den niedrigsten in ganz Europa gehören.
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