Große Bestürzung in Berlin: Jugendrichterin Heisig ist tot
Sie hat sich im Kampf gegen Jugendkriminalität einen Namen gemacht. Seit Montag war sie verschwunden. Nun wurde aus Befürchtungen Gewissheit: Kirsten Heisig hat sich das Leben genommen.
BERLIN dpa | Die prominente Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig hat sich selbst getötet. Bei der Obduktion sei ein Fremdverschulden am Tod der 48-Jährigen ausgeschlossen worden, teilte Staatsanwaltssprecher Martin Steltner am Sonntag mit. Weitere Einzelheiten nannte er nicht. Die Leiche der vermissten Frau war am Samstag in einem Waldstück im Ortsteil Heiligensee im Norden Berlins gefunden worden. Die Polizei hatte seit Mittwoch mit Spezialhunden nach der Verschwundenen gesucht. Steltner zeigte sich erschüttert über den Tod der Richterin, die durch ihr konsequentes Vorgehen gegen kriminelle Jugendliche bekannt geworden war. "Sie war fachlich hoch geachtet und sehr geschätzt bei der Staatsanwaltschaft", sagte der Sprecher.
Heisig hatte als Richterin am Amtsgericht Tiergarten das Neuköllner Modell initiiert. Sie war für den Problembezirk Neukölln zuständig, der als sozialer Brennpunkt gilt. Sie entwickelte das Modell, nach dem kriminelle Jugendliche bei kleineren Delikten schnell bestraft werden und nicht erst Monate später. Damit soll eine erzieherische Wirkung erreicht werden. Seit Juni werden die beschleunigten Verfahren berlinweit angewandt, vor rund zwei Jahren begannen sie für Neukölln.
Die tief getroffene Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) würdigte die Arbeit der "außerordentlichen" Juristin: "Wir werden Frau Heisig und ihr großes Engagement vermissen. Sie hat sich um die Berliner Justiz verdient gemacht", sagte die Senatorin am Samstagabend den Tränen nahe. In Justizkreisen hieß es, Heisig habe persönliche Probleme gehabt. "Da wird vieles zusammengekommen sein."
Das mysteriöse Verschwinden der Richterin, die als zuverlässig und pflichtbewusst galt, hatte große Besorgnis in Berlin ausgelöst. Am Montagabend war sie zuletzt gesehen worden. Bis zuletzt war gehofft worden, die couragierte und sportliche Frau unversehrt zu finden. Von einer Entführung war die Polizei von Anfang an nicht ausgegangen.
Vom Tod Heisigs zeigten sich auch FDP und Bündnis 90/Die Grünen erschüttert. "Wir Liberale trauern um eine mutige und couragierte Frau, die sich weit über ihren Beruf hinaus dem Kampf gegen Jugendgewalt verschrieben hatte", sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Cornelia Pieper. "Berlin verliert eine großartige Jugendrichterin, Deutschland ein Vorbild." Die Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Ramona Pop und Volker Ratzmann, erklärten, die Fraktion habe die Nachricht mit großer Bestürzung aufgenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin