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Archiv-Artikel

Großbritannien

Sperrstunde

Genau vor einem Jahr (24. November) wurde in den britischen Pubs die traditionelle 23.00-Uhr-Sperrstunde aufgehoben. Aber wer gehofft hatte, mit der Angleichung an die Kneipenöffnungszeiten des übrigen Europa könnten sich die Trinksitten bessern, hat sich getäuscht. Im Gegenteil: Das „Binge Drinking“ („Kampfsaufen“), bei dem sich vor allem junge Briten binnen kürzester Zeit mit möglichst viel Alkohol die Kante geben, hat sich eher noch weiter verbreitet.

Insbesondere unter jüngeren Frauen. Nach einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung gehört von den 17- bis 30-jährigen Engländerinnen inzwischen jede dritte zur Kategorie der starken Trinkerinnen, die beim Kneipengang regelmäßig vier Drinks und mehr zu sich nehmen. Vor allem der Trend zu Alcopops hat dazu beigetragen. Bei den gleichaltrigen Männern gelten 26 Prozent als „Binge Drinker“. Ihr beliebtestes Getränk ist Bier.

Dabei wollte die Labour-Regierung von Premierminister Tony Blair mit dem neuen „Licensing Act“, der allen Pubs die Möglichkeit gibt, die Öffnungszeiten über 23.00 Uhr hinaus zu verlängern, auch gegen das „Binge Drinking“ angehen. Der unwürdige Brauch, sich vor dem Glockenschlag zur „Last Order“ noch schnell volllaufen zu lassen, sollte der Vergangenheit angehören. Doch nach einem Jahr wird getrunken wie eh und je. Was auch daran liegt, dass die meisten Pubs die gelockerten Schanklizenzen überhaupt nicht nutzen. Die Polizei zieht eine positive Bilanz. Weil nicht mehr so viele Betrunkene auf einen Schlag hinaus auf die Straße entlassen werden und dann aneinandergeraten, gibt es für sie weniger zu tun.

Im Seebad Brighton – bekannt als „Partystadt“ – ging die Zahl der „alkoholbedingten Zwischenfälle“ um 11 Prozent zurück. Anderswo haben Polizei und Rettungsdienste ähnliche Erfahrungen gemacht. Das Schreckensszenario von noch mehr Alkoholrandalen bis tief in die Nacht, mit dem einige die Sperrstunde verteidigen wollten, ist Theorie geblieben. Am Grundproblem hat sich aber nichts geändert. 8.386 „Alkoholtote“ gab es auf der Insel im vergangenen Jahr – mehr als doppelt so viele wie 1991. Tourismus-Staatssekretär Shaun Woodward, zu dessen Ressort die Schanklizenzen gehören, hofft trotzdem, dass seine Landsleute beim Umgang mit dem Alkohol vernünftiger werden. Allerdings werde es „ein oder zwei Generationen“ dauern, bis die Unsitte des „Binge Drinking“ überwunden sei. DPA