Großbritannien vor dem EU-Referendum: Kathedrale, Uni und Wohlstand
Der Süden des Landes möchte in der EU bleiben. Denn das ist auch im Urlaub praktischer. Arbeitslosigkeit und Billigjobs sind dort die Ausnahme.
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Louise Martin, 36, sieht zwar Probleme mit der EU, mit Griechenland und mit der Flüchtlingspolitik. Aber die Mutter zweier Kinder hat drei Häuser in Spanien und importiert Waren aus Europa nach Großbritannien. „Ein Austritt wäre da ziemlich ungünstig“, gesteht sie.
Der 63-jährige Kindersozialarbeiter Tony – seinen Nachnamen möchte er nicht nennen – ist sogar dafür, dass Großbritannien entgegen den Vorstellungen von Premierminister David Cameron Teil der immer stärker zusammenwachsenden Union wird, die über den Euro verfügt und einer politischen Union entgegenstrebt.
„Ich habe die Nase voll von Klein-England und verabscheue den Nationalismus, der lange genug zu Kriegen geführt hat“, beteuert er. Andere, wie Alison Thorte, 34, denken über die Folgen eines EU-Austritts für den Urlaub nach. „Ohne Gesundheitsversorgung, mit Visapflicht und höheren Handykosten ist das einfach unpraktisch“, urteilt Thorte.
Wo sind die Argumente gegen Migranten geblieben?
„Was ist hier, wo alles gut geht, nur aus dem sonst so lauten Argument gegen Immigranten geworden?“ Harry Barlow, 18, ein frisch ausgebildeter Klempner, muss es wissen. „Die Immigranten machen hauptsächlich die Arbeit, für die wir Engländer zu bequem sind“, versichert er. Großbritannien sei nicht groß und stark genug, um allein zu überleben.Dazu fehle schon mal eine verarbeitende Industrie wie in Deutschland.
„Wie kann man einem unabhängigen Großbritannien vertrauen? Das Land ist schon oft aus eigenem Verschulden in eine Rezession gerutscht, da ist es besser, ein Auffangbecken zu haben“, meint er. „Ganz sicher werden sie die Einkommensteuern erhöhen, um diese Unabhängigkeit zu finanzieren. Dann stehen Leute wie ich schlechter da.“
Es wird Abend, aus der Kathedrale ertönt die Abendmesse mit Chorgesang. Der Pfarrer spricht die Fürbitte: „Lasst uns für die leidenden im Mittleren Osten beten. Und dass der Premierminister sich für das Gemeinwohl einsetzt.“
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