■ Großbritannien: Will Labour eine neue Nordirland-Politik?: Kopfnicken reicht nicht mehr
Der brennende Wunsch nach einer starken britischen Regierung dominierte in den vergangenen Jahren die Diskussion über den nordirischen Konflikt. Nun haben wir sie. Doch wird das auch die Situation in der ungeliebten Krisenprovinz ändern?
Erst mal nicht: Auch die Labour-Regierung muß sich den alten Fragen stellen, und der Wahlkampf hat gezeigt, daß New Labour keine neuen Antworten hat. Marjorie Mowlam, die neue Nordirland-Ministerin, unterscheidet sich zwar von ihrem Tory-Vorgänger Patrick Mayhew, der wie der Prototyp eines englischen Kolonialherren wirkte. Doch ihre Forderungen sind dieselben: Die IRA muß die Waffen niederlegen und zum Beweis ihres guten Willens eine Zeit der Quarantäne über sich ergehen lassen, bevor ihr politischer Flügel Sinn Féin an den runden Tisch darf.
Diese Bedingungen sind durchaus logisch, denn solange die IRA weiterhin auf bewaffnete Aktionen setzt, wird sich keiner mit Sinn Féin an den Verhandlungstisch setzen. Das weiß auch die IRA – und wenn man den Sinn-Féin-Vorsitzenden Mitchel McLoughlin richtig interpretiert, steht nun ein Waffenstillstand bevor. Doch was dann? Tony Blair hat bisher wenig Interesse an Nordirland gezeigt und den Tories kopfnickend das Feld überlassen. Auch das war verständlich: Mit Nordirland gewinnt man keine Wahlen. Doch als Premier muß er nun etwas tun. Und mit Nordirland ist bisher noch jede Labour-Regierung ins Schleudern geraten. So brach der Nordirland-Konflikt 1969 unter der Labour-Regierung von Harold Wilson aus. 1974 brachten die Unionisten mit einem Generalstreik das nordirische Regionalparlament zu Fall, weil daran auch Katholiken beteiligt waren. Wilsons Nachfolger James Callaghan setzte danach auf blanken Terror und schickte die Elitetruppe SAS, um die IRA auszuschalten.
Zwar sind die Unionisten im Unterhaus nicht mehr das Zünglein an der Waage, trotzdem kann ihr beachtlicher militanter Flügel die Provinz nach wie vor lahmlegen. Ihre Aktionen im vorigen Sommer, als sie ihre Paraden durch katholisches Wohngebiet gewaltsam durchsetzten, erinnerte an den Generalstreik 1974. Und in zwei Monaten steht eine neue Runde an.
Blair wird es wohl nicht auf eine Konfrontation ankommen lassen. Anfang Juni, wenn die Mehrparteiengespräche wieder aufgenommen werden, wird Sinn Féin mit Sicherheit noch nicht dabeisein. Danach muß sich Labour spätestens etwas einfallen lassen. Wenn nicht, ist die auf absehbare Zeit letzte Chance für eine politische Lösung passé. Ralf Sotscheck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen