Griechenland investiert in Aufrüstung: Vom Euro-Sorgenkind zur Militärmacht
Griechenland beschließt ein milliardenschweres Rüstungsprogramm. Die Regierung in Athen sendet damit auch ein Signal an die Türkei.

So ticken die meisten Griechen. Kaum bis gar kein Widerspruch regte sich, schon gar nicht Proteste wurden laut, als Griechenlands konservative Regierung unter Premier Kyriakos Mitsotakis am Mittwoch im Athener Parlament ein neues, gewaltiges Rüstungsprogramm verkündete. Bis 2036 werden dafür 25 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Das entspricht rund 10 Prozent von Hellas erwarteter diesjähriger Wirtschaftsleistung.
Dank der Aktivierung der Ausweichklausel des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts könne Athen Schulden für die Verteidigung aufnehmen, ohne ein EU-Defizitverfahren auszulösen, betonte Mitsotakis. Dennoch: Für das einstige Euro-Sorgenkind, im Frühjahr 2010 faktisch bankrott, ist die Aufrüstung kein Pappenstiel. Die griechische Staatsschuld betrug per Ende 2024 fulminante 154 Prozent in Relation zur hiesigen Wirtschaftsleistung – weiter die höchste Schuldenquote in Europa.
Die jedoch durch die 2018 erzielte Schuldenregelung niedrig verzinst ist. Die haushaltspolitische Flexibilität werde „kein Grund für Exzesse sein“, beteuerte Mitsotakis. Zugleich wies er die eher verhaltene Kritik der linken Opposition zurück, wonach seine Regierung „Geld für Kanonen statt für Butter“ ausgebe. Hellas werde eine der „fortschrittlichsten Armeen“ der EU bekommen und so zu einem „Schlüsselfaktor“ für die Verteidigung Europas avancieren, die „vor neuen Herausforderungen“ stehe.
Regierung erhöht Verteidigungsausgaben seit Jahren
Fest steht: Griechenland ist schon jetzt eine militärische Macht. In der Weltrangliste 2025 des Fachportals Global Firepower (GFP) belegt Hellas in puncto Militärstärke Rang 30. Hatten die Athener Verteidigungsausgaben 1951 laut dem Stockholmer Forschungsinstitut SIPRI ein Allzeithoch von 6,6 Prozent in Relation zum BIP erreicht, dümpelten sie in den 2010er Jahren um die Marke von 2,5 Prozent. Die Regierung Mitsotakis gab abermals Gas: Die Verteidigungsausgaben erhöhten sich auf bis zu 3,2 Prozent im Jahr 2023 – deutlich höher als der europäische Mittelwert.
Bereits Ende 2024 hatte Athens Verteidigungsminister Nikos Dendias unter dem Titel „Agenda 2030“ einen Sieben-Punkte-Plan zur Reform der Landesverteidigung vorgestellt: Dieser umfasst Strukturreformen, die Aktualisierung und Priorisierung der Rüstungsprogramme, die Stärkung der einheimischen Rüstungsfirmen, die Ausbildung, den Wohnungsbau (für das Militärpersonal) sowie soziale Aktivitäten der Streitkräfte.
Die Griechen sparen auch: Dendias kündigte dabei die „schnellstmögliche“ Schließung von 137 der 800 Militärkasernen an. Obendrein schickte Dendias rund 2.000 Offiziere in den Ruhestand. „Welche Armee auf diesem Planeten weist ein Verhältnis von Offizieren zu Unteroffizieren von eins zu eins auf? Das normale Verhältnis beträgt 1 zu 9“, begründete Dendias seinen Schritt.
Dafür sollen neue Kampfjets, neue Hubschrauber, neue Fregatten und eine völlig neue Luftabwehr unter dem Namen „Schutzschild Achilles“ beschafft werden. Bereits vorhandene Waffensysteme werden zudem modernisiert. Sowohl Mitsotakis als auch Dendias vermieden es öffentlich zwar tunlichst, an dieser Stelle die Türkei zu erwähnen, was auf die zuletzt von den USA vorangetriebene Annäherung zwischen Athen und Ankara zurückzuführen sein dürfte.
Signal an die Türkei
Dennoch konnte es sich Dendias in seiner 15-minütigen Einlassung am Mittwoch in Athens Parlament nicht verkneifen, das gigantische Rüstungsprogramm unmissverständlich zu begründen: „Wir stehen einer nachweislich existierenden Gefahr mit einer zehnfachen Stärke im Vergleich zu uns gegenüber.“ Diese Beschreibung trifft haargenau auf den Nachbarn und Nato-Partner Türkei zu – im globalen GFP-Ranking die Nummer neun.
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