Greenpeace in Frankreich: Einfach ins AKW marschiert
Französische Greenpeace-Aktivisten können sich ungehindert in ein Atomkraftwerk einschleusen und auf eine Reaktorkuppel klettern. Ihre Kritik: Aus Fukushima wurde nichts gelernt.
PARIS taz | Neun Mitgliedern von Greenpeace ist es am Montagvormittag gelungen, unbehelligt und ohne jede Gewaltanwendung das Gelände des Atomkraftwerks Nogent-sur-Seine, rund hundert Kilometer südöstlich von Paris, zu betreten und auf die Betonkuppel der Anlage zu klettern.
Dort befestigten sie ein Spruchband mit der Aufschrift "Sichere Atomkraft existiert nicht". Sie wurden erst zwei Stunden später von der Gendarmerie festgenommen. Erst im Verlauf des Vormittags gab Greenpeace Frankreich bekannt, dass ähnliche "Tests" der Sicherheitsvorkehrungen auch in anderen Atomanlagen im Gange waren.
Die Behörden bestätigten, dass Aktivisten von Greenpeace versucht hätten, mindestens in drei andere Atomanalgen einzudringen: in den AKWs von Blayais (Gironde) und Chinon (unweit des Loire-Tals) und in das nukleare Versuchszentrum von Cadarache in der Provence. Dort hätten sie ebenfalls Spruchbänder entfaltet, um gegen die mangelnde Sicherheit der AKW zu protestieren.
Das wurde später vom Energiekonzern Electricité de France (EDF) in einer Mitteilung bestätigt, in der präzisiert wird, die Eindringlinge seien "sofort entdeckt" worden und hätten unter ständiger Beobachtung gestanden. Die Sicherheitsverantwortlichen hätten beschlossen, gegen sie "keine Gewalt anzuwenden".
Beweis für mangelnde Sicherheitsvorkehrungen
Alle beteiligten Greenpeace-Mitglieder wurden festgenommen und kontrolliert. In Nogent war es indes zwei von ihnen gelungen, sich noch zwei Stunden länger zu verstecken. Für Greenpeace ist mit diesen spektakulären Aktionen zumindest im Fall von Nogent der Beweis erbracht, dass die elementarsten Sicherheitsvorkehrungen mangelhaft sind und dass die kürzlichen "Stresstests", in denen auch Risiken von Naturkatastrophen oder Industrieunfällen miteinbezogen wurden, nur ein Alibi für die Atomindustrie gewesen sind.
Der Staatsführung ist der gestrige Störfall peinlich. Industrieminister Eric Besson sagte, er sei überrascht und wünsche, dass alles getan werde, damit so etwas nicht wieder vorkommen könne. Nicolas Sarkozys Sonderberater Henri Guaino forderte ebenfalls am Fernsehen, es müssten Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen werden: "Es ist nicht zulässig, dass jemand einfach so in einem Atomanlage gelangen kann. Man kann sich vorstellen, was gewisse Leute anstellen könnten", meinte er in Anspielung auf mögliche Terror- oder Sabotageakte.
Diese sind aber nach Ansicht von Greenpeace-Sprecherin Sophia Majnoni bisher aus den Schutzplänen ausgeklammert worden, damit die AKW offiziell als sicher deklariert werden können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut