Gravenreuth-Urteil: "Keine positive Legalprognose"
Im September verurteilte das Landgericht Berlin Abmahnanwalt Gravenreuth wegen seines Rechtsstreits mit der taz zu 14 Monaten Haft. Nun wurde das schriftliche Urteil veröffentlicht.
Im September 2008 verurteilte das Landgericht Berlin den als "Abmahnanwalt" berüchtigten Münchner Rechtsanwalt Günter Freiherr von Gravenreuth zu vierzehn Monaten Haft. Er hatte versucht, sich rechtswidrig am Vermögen der "taz" zu bereichern.
Ausgangspunkt des Falles war eine Bestätigungs-Email, die Gravenreuth von der taz erhalten hatte, nachdem unter seinem Namen der taz-Newsletter bestellt worden war. Daraufhin hatte er von der taz im Mai 2006 eine Unterlassungerklärung sowie Abmahngebühren in Höhe von 651 EU gefordert. Obwohl diese Rechnung Ende Juni 2006 von der taz bezahlt wurde, beantragte Gravenreuth im Juli die Pfändung der Domain "taz.de", da seine Forderungen nicht beglichen seien. Auf seiner Webseite kündigte er die baldige Versteigerung der gepfändeten Domain "taz.de" auf ebay an.
Mit einer einstweiligen Anordnung des Landgerichts Berlin brachte die taz diese Pfändung vom Tisch. Gravenreuth hatte bis dahin stets behauptet, in dem Glauben gehandelt zu haben, er hätte noch berechtigte Forderungen gegen die taz, da seine Rechnung nicht bezahlt worden sei. Nachdem im Zuge einer weiteren Strafsache bei einer Durchsuchung seiner Münchner Kanzlei Fax-Schreiben sowie Kontoauszüge sichergestellt worden waren, aus denen die Zahlung eindeutig hervorging, zeigte taz-Anwalt Jony Eisenberg Gravenreuth wegen versuchten Betrugs an.
Nachdem Gravenreuth bereits sämtliche zivilrechtlichen Verfahren gegen die taz verloren hatte - sowohl Landgericht als auch Kammergericht hatten geurteilt, das an dem "double opt in"-Verfahren, das die taz bei der Bestellung ihres Newsletters anwendet, nichts zu beanstanden sei - wurde er vom Amtsgericht Tiergarten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Berlin im September 2008 wurde diese Strafe mit weiteren anhängigen Verurteilungen zu einer Gesamtstrafe von 14 Monaten Haft ohne Bewährung zusammengezogen.
Mittlerweile liegt das schriftliche Urteil des Landgerichts vor, in dem es unter anderem heißt, die Strafzumessung sei "in dieser Höhe unbedingt erforderlich. Die Vollstreckung dieser Strafe konnte ... nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Denn dem Angeklagten kann nicht mit hinreichender Sicherheit eine positive Legal- und Sozialprognose gestellt werden. (...) Es handelt sich somit bei diesen Straftaten des Angeklagten nicht um ein einmaliges Versagen im Einzelfall bzw. um ein Versagen in einem eng umgrenzten Zeitraum oder aufgrund einer besonderen, die Begehung solcher Taten besonders begünstigenden Konstellation, sondern um wiederholte und erhebliche Rechtsverstöße über einen längeren Zeitraum, die der Angeklagte in Ausübung seines Berufs als Rechtsanwalt mit dem Ziel der eigenen ungerechtfertigten Bereicherung auf Kosten Anderer begangen hat, obwohl seine wirtschaftlichen Verhältnisse "geordnet" sind. Es ist daher zu befürchten, dass der Angeklagte auch künftig insbesondere Vermögensstraftaten begehen wird, so dass ihm keine positive Legalprognose gestellt werden kann." Das gesamte Urteil im Wortlaut steht auf der _Rechtsanwalt_Freiherr_v.Gravenreuth_soll_wegen_versuchten__Betruges__zum_Nachteil_der_taz__in%B4s_Gef%E4ngnis&id=97:Homepage von Anwalt Eisenberg.
Die Revision vor dem Kammergericht Berlin ist noch anhängig. Auch wenn von Gravenreuth selbst seine Chancen dort als "gut" bezeichnet, ist nach dem wohlbegründeten Urteil des Landgerichts die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er seine Haftstrafe antreten muß.
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