Graue Wölfe in Bremen: Vergessene Faschisten
Unscheinbare Vereine sind Rückzugsorte für türkische Rechtsextreme. Sie mobilisieren für das Türkentum – und gegen Kurden.
Auch wer sich das Schild genau anschaut, erkennt nicht auf den ersten Blick, dass hier türkische Faschisten, der Selbsbezeichnung nach Idealisten („Ülkücü“) oder auch Graue Wölfe genannt, weitgehend unbehelligt ihrem Geschäft nachgehen. Nur auf dem Höhepunkt des türkischen Wahlkampfes im vergangenen Juni waren im Fenster Wahlplakate der MHP aufgehängt. Darauf prangten auch die drei charakteristischen Halbmonde der Grauen Wölfe.
Die MHP firmiert in Europa unter anderem unter dem Dachverband „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland“ mit dem Kürzel ADÜTDF. Ihr Logo, zwei rote Minarette mit weißem Halbmond vor blauem Hintergrund, ist auch auf dem Schild des Bremer Vereins zu sehen. Der Verfassungsschutz zählt bundesweit 170 solcher lokalen Vereine, in denen 7.000 Rechtsextreme organisiert sind. In Bremen schätzt der Geheimdienst die Zahl ihrer Aktiven auf 200 Personen, die regelmäßig Feste organisieren, bei denen die „ideologische Ausrichtung und Verbreitung des Gedankenguts gegenwärtig sei“. Politisch setzen sie sich für ein großtürkisches Reich ein und halten sich für eine überlegene „Rasse“.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine AKP koalieren offiziell mit der MHP in der „Volksallianz“. Erdoğan brachte den MHP-Abgeordneten Cemal Çetin sogar zu einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit, die ihm umgehend die Hand schüttelte. Cetin ist gleichzeitig der höchste Funktionär des Europäischen Dachverbandes der Grauen Wölfe Avrupa Türk Konfederasyon.
Feindbilder gibt es genug
Im Verfassungsschutzbericht 2017 heißt es, dass der Dachverband sich nach außen hin um ein gesetzeskonformes Verhalten bemüht und Anhänger der „Ülkücü“-Bewegung insbesondere im Internet ihre rassistischen Überlegenheitsvorstellungen ausleben: „So werden in sozialen Netzwerken Gewaltaufrufe und gewaltverherrlichende Äußerungen verbreitet, die sich gegen Feindbilder richten.“ Und davon gibt es genug: Sie hassen Juden, Christen, Armenier, Griechen, Kommunisten, Freimaurer, Israel, Zionisten, die EU, den Vatikan, die Vereinigten Staaten und natürlich die Kurden sowie die PKK.
Die Grauen Wölfe sind türkische Rechtsextreme und für eine Reihe von Mordanschlägen seit den Siebzigerjahren verantwortlich.
Politisch organisiert sind sie in der türkischen Partei MHP, die mit Erdoğan koaliert.
In Deutschland mobilisieren Organisationen wie ADÜTDF, ATB und ATIB. Es soll bundesweit 18.500 Graue Wölfe geben.
Ideologisch hängen sie dem rechtsextremen Panturkismus an, treten für ein großtürkisches Reich aller „türkischstämmigen“ Völker ein.
Führende Mitglieder empfehlen Exilant*innen, demokratische Rechte wahrzunehmen, um Einfluss auszuüben und ihren Feinden – Juden, Kurden, Christen – zu schaden.
In Bremen verfolgen die türkischen Nationalist*innen laut Senatsantwort auf eine Anfrage der Linksfraktion der Bremer Bürgerschaft die Absicht, in der Bürgerschaft Fuß zu fassen. Und mindestens ein Abgeordneter in der Bürgerschaft steht dem Denken der rechtsextremen Grauen Wölfe sehr nahe: Turhal Özdal vertritt die CDU und demonstrierte Anfang des Jahres noch zusammen mit Anhängern der MHP für den Krieg gegen die Kurden. Zunächst war er bei den Grünen, bis er zur Union überlief. Auffällig ist auch, dass er politisch eine einseitige Anfrage zu Kurden und der PKK stellte.
Jemand, der sich konkret mit der Bedrohung und dem Agieren der Grauen Wölfe in Bremen auskennt, ist Cindi Tuncel von der Linken. Zahlreiche Drohanrufe und Hass-E-Mails sind das Ergebnis dieser und anderer Anfragen, die der Abgeordnete zu den Aktivitäten der Erdoğan-Freunde in Bremen gestellt hat.
Über den Verein in der Waller Heerstraße sagt Tuncel: „Es gibt in Bremen viele Vereine wie den in Walle, sie verbreiten ihren Faschismus insbesondere unter türkischen Jugendlichen – vorgeblich helfen sie bei Hausaufgaben.“
Sie schreckten allerdings auch nicht vor Gewalt zurück, die sie im Verdeckten ausübten. Politisch gelte immer noch die vom verstorbenen „ewigen Führer der Bewegung“, Alparslan Türkeş, 1996 ausgegebene Losung für Exil-Türk*innen, sich einen legalistischen Anstrich zu geben, Politik und Gesellschaft zu infiltrieren, dabei aber niemals das Ziel vor Augen zu verlieren: die Verbreitung des Türkentums.
Nach Ansicht von Tuncel arbeiten sie dabei „clever und brutal“ im Hintergrund und geben vor, sich für Integration zu engagieren. „Aber für Integration ist es nicht förderlich, dass Faschisten Kinder zu Faschisten ausbilden – viele Jugendliche sind anfällig“, sagt Tuncel.
Tuncel war jahrelang Jugendsozialarbeiter. Sicher sei, dass auch in Bremen zwischen MHP und Erdoğan-Anhänger kein Blatt Papier passt. Genaue Grenzen könnten nicht gezogen werden – „es ist ein Graubereich“, berichtet der Bürgerschaftsabgeordnete.
Der Bremer Verfassungsschutz bestätigt, dass sich der Chef der Bremer Erdogan-Lobby-Organisation UETD, Burak Caylı, sich mit dem Vorsitzenden der Türkischen Familien Union in Bremen, Recep Haciömeroglu, im März dieses Jahres getroffen hat. Es existieren Facebook-Bilder dieses Treffens.
Das Foto aus dem Gebäude an der Waller Heerstraße zeigt die Räume von innen – im Hintergrund prangt neben Nationalisten-Kitsch und der türkischen auche eine uigurische Flagge, die für Panturkismus und für „Ostturkestan“ steht – also großtürkisches Reich bis nach Westchina.
Die türkische Familienunion war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
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