Grand Prix Ableger: Deutsche Mumien
Finnland tanzt am besten: Das ist das erste Ergebnis der Premiere des Eurovision-Song-Contest-Tanz-Ablegers in der ARD. Die Deutschen präsentieren sich dagegen kukidenthaft.
Es ist ja schon einmal ein Spin-Off gescheitert: Der Junior-Eurovision-Song-Contest. Das Originalformat, eben der seit 1956 existierende Grand Prix Eurovision, war und ist als sogenannter Kult nicht zu übertreffen. Aber dann ersann man in der Genfer Zentrale des europäischen TV-Verbundes den "Eurovision Dance Contest" - und dessen Premiere wurde Samstag in einem Studio der Londoner BBC gegeben, die ARD übertrug live.
Einige Länder - nur sechzehn an der Zahl - traten mit je einem (heterosexuellen) Paar auf. Nach je zwei vorgeschriebenen Tänzen folgte eine Art Kür im freien Stil, danach die Wertung, wie beim "Song Contest" per Televoting Land für Land eingeholt. Dass das deutsche Paar, Schauspielerin Wolke Hegenbarth und Profitänzer Oliver Seefeldt, den achten Platz belegte, war weniger erstaunlich als der Umstand, dass die Finnen Katja Koukkala und Jussi Väänänen gewannen. Die Deutschen boten ein ästhetisches Sammelsurium aus Aerobic (Frau hebt Mann), also typisch germanischem "Fortschritt durch Technik", und vorsätzlichem "Gut drauf"-Grimassieren. Die Finnen aber servierten zur Musik von Apocalyptica einen schönen Tanz, nicht mehr, nicht weniger - kein Gehopse, überhaupt keine folkloristische Kostümshow und ohne pornografisch vorgespiegelte Leidenschaft. Verdienter Triumph! Ob das Format nächstes Jahr wiederaufgelegt wird, beteuert die Eurovision in Genf bejahend. In Deutschland muss man sich hingegen Gedanken um die Quote machen. 3,1 Millionen Zuschauer sind auch einer ARD Samstagabend gewiss zu wenig - darunter im Übrigen nur 860.000, die zwischen 14 und 49 Jahren sind.
Anders gesagt: Die ARD erreichte nur ihr gerontologisches Kernpublikum. Und das war ja auch kein Wunder: Der Show vor der Show, "Countdown für London" genannt, wurde von Thomas Anders entsetzlich ältlich moderiert, mit den irgendwie auch schon im achten Lebensjahrzehnt stehenden Kessler-Zwillingen als Hauptgästen. Das soll ein Profilschärfer für die Juvenilisierung des Abendprogramms sein? Die beim WDR müssen irre sein. Alle anderen Länder schickten, so mein Mitgucker, "Knuspermäuse", junge Männer und Frauen, nur die ARD ließ tief ins Deutsche blicken: Alles kukidenthaft, irgendwie!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!