Graffiti gegen Rad- und Taschendiebe: Die Berliner Polizei sprüht vor Ideen
Jetzt greift schon Polizeipräsident Kandt zur Farbdose: Mit Graffiti warnt die Polizei an besonders gefährdeten Orten vor Dieben.
Irgendwie ist das doch krass illegal: Klaus Kandt hält eine Graffiti-Dose in der Hand. Verwegen blickt der Polizeipräsident in die Kameras, die auf ihn gerichtet sind. Vor ihm, auf der Warschauer Brücke, direkt neben dem U-Bahn-Ausgang, liegt eine Schablone. Das Wort „Pickpockets!“ ist daraus ausgestanzt; darüber zwei Strichmännchen, von denen eines dem anderen in die Hosentasche greift. Kandt schüttelt die Dose und sprüht das Bild auf die Straße. In Neonpink! Er schaut zufrieden.
Die Graffiti sind der neueste Einfall des Präventionsteams der Berliner Polizei. Sie seien ein „kleiner Reminder“, sagt ein Beamter bei der Aktion am Dienstagmittag. Wenn der angeheiterte Party-Tourist die Pickpocket-Warnschilder erblicke, sei er „direkt sensibilisiert“. Dann würde er das Portemonnaie von der Außen- in die Innentasche schieben und die Handtasche festhalten.
So stellt sich die Polizei das vor. Darum werden in den nächsten Tagen Streifenpolizisten mit Sprühdose los geschickt, um die Stadt sicherer zu machen. Hundert solcher Hinweissprühereien in der Nähe von Berliner Kriminalitäts-Hotspots seien die „Zielvorgabe“. Zuerst wird in Kreuzberg, Mitte, Steglitz und Zehlendorf gesprüht. Warum gerade Zehlendorf, bleibt unklar.
Die Graffiti-Offensive ist Teil einer Gesamtstrategie der Berliner Polizei, die beim Einsatz gegen Taschendiebstahl ihre subversive Seite zu entdecken scheint. Die Zeit der Info-Tische und Aufklärungsflyer sei vorbei, sagt ein Beamter. Da höre ohnehin kaum jemand zu; die Flyer würden ungelesen im Müll landen.
Stattdessen schleichen Zivilpolizisten seit einiger Zeit nachts durch die Straßen, getarnt als Handtaschenräuber. Sorglosen Passanten kleben sie Sticker auf die Taschen, „Vorsicht, Taschendiebe“ steht darauf. „Der Schreck ist oft groß. Die überlegen sich dann zweimal, ob sie die Tasche beim nächsten Mal wieder offen lassen“, sagt der Beamte und grinst.
Ob der Einsatz an der Sprühdose in Zukunft zur polizeilichen Grundausbildung gehören wird, ist noch nicht ausgemacht. Eine Dose kostet schließlich 8 Euro, und man könne nur drei Graffiti davon sprühen. „Wir werden genau prüfen, ob sich der Kostenaufwand durch Erfolge rechtfertigen lässt“, sagt eine Polizistin. Subversiv sein darf halt nichts kosten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour