Gräueltaten in Syrien: Foltern, aushungern
Ein Polizeifotograf dokumentiert das Leiden in den syrischen Gefängnissen. Sie sind Beweise für die Gräueltaten, die lange bekannt sind.
BERLIN taz | „In Syrien wird jeder Gefangene gefoltert – jeder.“ Dies sagte ein ehemaliger politischer Gefangenen in den achziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bei einem Interview in Damaskus. Derselbe Gesprächspartner, ein Oppositioneller, sollte später, unter Präsident Baschar al-Assad, erneut hinter Gittern sitzen.
Damals wiesen Freunde beim Spaziergang durch eine syrische Stadt flüsternd auf vermutete Folterkeller des Regimes hin. Es kann nur spekuliert werden, wie viele Menschen 1982 bei der Niederschlagung des Aufstands in Hama getötet wurden und wie viele in den Gefängnissen bis heute „verschwunden“ sind. Schätzungen gehen von 10.000 bis 20.000 Toten aus. Willkürliche Festnahmen, Folter, Angst – auch diesem System ein Ende zu bereiten, war Triebkraft bei jenen, die Anfang 2011 friedlich gegen das Regime demonstrierten.
Nun liegt ein als „vertraulich“ gekennzeichneter Bericht vor, der dokumentiert, wie Tausende in syrischen Gefängnissen systematisch zu Tode gefoltert werden. Die britische Zeitung Guardian und der amerikanische Fernsehsender CNN berichteten am Dienstag über den 31 Seiten umfassenden Report. Unter Berufung auf einen Fotografen, der auch Mitglied der syrischen Militärpolizei war, ist darin die Rede von bis zu 11.000 getöteten Gefangenen. Belegt wird dies mit Zehntausenden von Bildern, die außer Landes geschmuggelt wurden.
Bei dem Untersuchungsteam, das den Bericht erstellte, handelt es sich um drei international bekannte Juristen, die zuvor für die UN-Tribunale für Sierra Leone und Exjugoslawien gearbeitet hatten, sowie drei forensische Experten. Beauftragt wurden sie von der renommierten und international agierenden Londonder Anwaltskanzlei Carter-Ruck and Co., die auch Regierungen und Staatsoberhäupter vertritt. Die Aufgabe, die Glaubwürdigkeit des unter dem Pseudonym „Cäsar“ auftretenden Zeugen, eines Deserteurs, zu überprüfen, erhielt sie von Katar. Dieser Golfstaat unterstützt im syrischen Bürgerkrieg die Aufständischen.
Die Bilder gelangten über einen Kontaktmann Cäsars, der mit diesem durch Heirat verwandt ist, ins Ausland. Der Kontaktmann ist dem Bericht zufolge Mitglied einer Organisation namens Syrische Nationalbewegung, die laut dem Guardian von Katar unterstützt wird. Cäsar selbst lebt inzwischen mit seiner Familie im Ausland. Zu seiner Motivation sagte er, er habe seine Aktion Syrien zuliebe unternommen, damit die Mörder vor Gericht gestellt werden können, um Gerechtigkeit herzustellen.
Berichte über Folter in syrischen Haftanstalten sind nicht neu. Vor Beginn des Krieges hielten sie Deutschland nicht davon ab, Oppositionelle und Angehörige verfolgter Minderheiten nach Damaskus auszuliefern.
Pakt mit Assad: 2008 schloss der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit Assad ein sogenanntes Rücknahmeabkommen. Schon damals wies Amnesty International darauf hin, dass Häftlinge in Syrien durch Misshandlung starben. Es gab Berichte über Folter mit Elektroschocks und tödliche Schläge mit Kabeln. Als das Abkommen 2009 in Kraft trat, begannen deutsche Ausländerbehörden im Sommer gleichwohl damit, vor allem Kurden und Jesiden nach Damaskus abzuschieben.
Verhaftung am Flughafen: Schon die ersten Abgeschobenen wurden nach ihrer Ankunft in Syrien verhaftet, teils direkt am Flughafen. Assad warf ihnen die "Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland" oder die "Beschädigung des Ansehens Syriens im Ausland" vor - gemeint war jeweils der Asylantrag in Deutschland. So verschwanden der 31-jährige Kurde Khalid Kenjo aus Warendorf, die schwangere Jesidin Abta Houran aus Brake oder die sechsköpfige Familie Cindo aus Westfalen im Gefängnis.
1.442 Abschiebungen: Die Bundesregierung erklärte damals, die Vorgänge "zu beobachten", lehnte aber einen Abschiebestopp ab. Bis zum Beginn des Krieges im Frühjahr 2011 schoben deutsche Behörden insgesamt 1.442 Menschen nach Syrien ab. Das Rücknahmeabkommen ist bis heute in Kraft. (cja)
Auf Speichersticks geschmuggelt
Das Ermittlungsteam befragte den Zeugen am 12., 13. und 14. Januar dieses Jahres an einem nicht genannten Ort und wertete die rund 55.000 Fotos aus, die dieser über Speichersticks außer Landes schmuggelte. Da es jeweils vier bis fünf Aufnahmen von jedem Opfer gibt, gingen die Ermittler von etwa 11.000 toten Gefangenen aus.
Dem Bericht sind zehn Fotos beigefügt. Auf zwei von ihnen sind bis auf das Skelett abgemagerte Personen zu sehen, die laut den Forensikern die typischen Anzeichnen für Hungertod zeigen. Diese Bilder, so der Bericht, könnten sehr wohl das Verhungernlassen als Foltermittel dokumentieren. Andere Fotos zeigen Wunden, wie sie beim Erwürgen entstehen, wieder andere Spuren schwerer Schläge.
Cäsar, der Fotograf und Militärpolizist, hatte die Aufgabe, die getöteten Gefangenen – meist Männer im Alter von zwanzig bis 40 – zu fotografieren, nachdem sie in ein Militärkrankenhaus gebracht worden waren. Den Familien sollte damit der Tod der Angehörigen dokumentiert werden, ohne dass sie die Leiche zu Gesicht bekommen hätten. Ihnen wurde gesagt, sie seien an einem Herzinfarkt oder an Atemproblemen gestorben. Beigesetzt wuren sie in Massengräbern. Zweck der Dokumentation war aber Cäsar zufolge auch, zu belegen, dass die Anweisung zum Töten befolgt wurde.
Als Cäsar seine Desertation plante, überredete er jemanden in seiner Abteilung, Fotos von mehreren Toten zusammen aufzunehmen, um zu zeigen, dass es „wie in einem Schlachthaus“ aussah. Dies begründete er den Kollegen gegenüber damit, dass sie immer noch die Gruppenfotos hätten, falls sie vergessen sollten, jemanden zu fotografieren.
Glaubwürdiger Zeuge
Die Ermittler halten den Zeugen für glaubwürdig. Er habe seine Geschichte nicht aufgebauscht, obwohl er der Opposition nahestehe. Er habe ehrlich berichtet. Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, zu behaupten, er habe selbst Hinrichtungen gesehen, um seinen Aussagen mehr Gewicht zu geben. Doch dies habe er nicht getan.
Zum Schluss schreiben die Autoren, von den 835 im Detail ausgewerteten Aufnahmen der Toten seien 20 Prozent Opfer der zugefügten Verletzungen geworden, 42 Prozent seien stark abgemagert gewesen. Bei weiteren 30 Prozent konnten sie die Todesursache nicht eindeutig klären.
Letzteres liegt unter anderem daran, dass die Fotos, die keine Nahaufnahmen der Wunden enthalten, nur äußere Verletzungen zeigen. Die meisten Aufnahmen zeigen die Opfer auf dem Rücken liegend, sodass nur Folterspuren auf der Vorderseite des Körpers zu erkennen sind.
Das Ermittlungsteam geht davon aus, dass das ausgewertete Material klare Beweise für die systematische Folter und Tötung von Gefangenen durch Agenten der syrischen Regierung enthält und vor einem Tribunal oder Gericht standhalten würden – Beweise, die auch Ermittlungen über Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen der syrischen Regierung untermauern könnten.
Leser*innenkommentare
Hari Seldon
Gast
@banner oedtelu:
Sie finden den Link auf den MIT-Bericht in mehreren Leserkommentaren von TAZ. Eigentlich sollte die TAZ den Bericht in einem Artikel kommentieren, und den Link zur Verfügung stellen.
toddy
Gast
@Hari Seldon Hari btw schön das du da bist, eher läuft der Fluß zur Quelle da hat schließlich „dasistdiemeinungdieihrzuhabenhabt“Ressort das letzte Wort ;-(
nikitaman
Gast
Ist das dein Ernst? Viele Kommentare hier lassen durchscheinen, dass ein großer Anteil der Leute nicht jede westliche Propaganda schluckt.
Alle Seiten in diesem Konflikt lügen. So wie in jedem Konflikt.
Versteh das nicht falsch.
Die meisten(denke ich zumindest) die hier versuchen die pro westliche Meinungsmache zu entlarven, sind deswegen nicht gleich Assad Fans.
Geschweige denn von ihm bezahlt. Den finanziellen Aufwand ein Propaganda-Regiment zu beschäftigen,
welches in fast fehlerfreien Sätzen Kommentare in westlichen Online-Magazinen in der Sprache des Herkunftslandes dieser Zeitungen verfasst, kann ich mir nicht ausmalen.
In der EU gibt es 23 Amtssprachen.
Und wohl unzählige Zeitungen mit X Artikeln über Syrien jeden Tag.
Nur um deine Theorie (und du bist nicht die/der erste die/der so etwas tatsächlich gefragt hat) mal in die Realität zurückzuholen.
Wie gesagt sind deswegen nicht alle die so kommentieren Assad Fans. Ich z.B. würde mir nicht anmaßen zu behaupten Assad würde nicht foltern.
Im Gegenteil, ich halte es sogar für Wahrscheinlich.
Es geht auch nicht darum, dass es in Ordnung geht oder zu vernachlässigen ist.
Es geht einzig und allein um das Messen mit zweierlei Maß !
Wie JEDER weiß foltern die USA. Die Briten haben im Irak gefoltert. Und wer weiß was noch so alles abgeht was vlt erst in 50-70 Jahren raus kommt. Oder nie...
Ginge es nach mir müssten ALLE die Foltern, die Anweisungen dafür geben oder sonst irgendwie wissend involviert sind ihren Hut nehmen und einfahren.
Aber Verteidigung erhält Herr Assad hier,
da man versucht uns ( die Öffentlichkeit) davon zu überzeugen,
Militärinterventionen gegen den "angeblichen" Folterer, den man am liebsten absetzen und nach Den Haag schicken würde, seien notwendig.
Gleichzeitig seien aber Freihandel und transatlantische Bündnisse mit "offziellen" Folterern gewünscht und gut für uns.
Das ist heuchlerisch und durchschaubar. Zumindest für manche....
nzuli sana
Diese Fotos "sind Beweise für die Gräueltaten, die lange bekannt sind."
Richtig, und genauso sind es Videos auf Webseiten der Syrerinnen und Syrer, die nach wie vor das Regime stürzen wollen.
Nach wie vor geht es um Freitheit und Menschenrechte und um soziale Gerechtigkeit.
Wer Syrer bereits vor 2010 kennengelernt hat, weiß: nur wer Mgl der Baath-Partei war, bekam das Recht Land zu kaufen.
Es geht natürlich um die Frage, wie das Regime gestürzt werden kann, und ob dafür militärische Mittel erforderlich sind.
Wenn es keine anderen gibt, zumindest müssen die Bombardements aus der Luft aufhören.
Flohkop
Mörder ist Mörder ob als Staatsmann (hier muß bei der Type ein ?? hin) verkleidet oder als "Otto normal".
Die S.... sorry, hat Knast auf Lebzeiten verdient. Wer hier noch irgend etwas schön Redet oder auf andere böse Buben und Mädels verweist lenkt nur ab von dem dortigen geschehen.
Kaboom
Gast
Liebe TAZ-Admins, mich würde interessieren, ob ihr die IP-Adressen der Kommentare speichert. Und ob sich bei den Pro-Assad-Kommentaren welche finden, die in Syrien angesiedelt sind. Bekanntlich unterhält Assad eine riesige Agitprop-Brigade, deren Job (u.a.) entsprechende Kommentare sind.
christine rölke-sommer
gute frage *grinz*
taz? habt ihr eure eigene NSA?
*kopfbatsch*
und bevor kaboom mich anmeckert: um zu wissen, dass in Syrien gefoltert wird, brauche ich nicht diese bilder. mir reichte, meinen mandantinnen aus Syrien zuzuhören. schon zu zeiten, als Baschar noch zu besuch zu Angela kam.
Balduin
Gast
Mit Fotos, auf denen offensichtlich ist, daß die Gefangenen durch Folter gestorben sind, soll den Hinterbliebenen ein natürlicher Tod vorgegaukelt worden sein? Klingt nicht sehr realistisch - eher nach Märchenstunde à la Saddams Fleischwolf, falls sich noch jemand daran erinnert. Assad mag ein Schwein sein - aber die Amerikaner sind leider schon längst völlig unglaubwürdig geworden - allen voran ihr Präsi "lame duck" Obama.
Herr Z.
Gast
Assad ist sicherlich kein unbescholtenes Blatt und die eine oder andere Leiche wird er mit Sicherheit im Keller liegen haben. Aber solche Bilder sollten immer mit Vorsicht betrachtet werden. Durch die Digitalisierung von Bildern/Videos können angebliche Beweise doch recht schnell und unkompliziert gefälscht werden - Retuschieren mit der richtigen Software kann heute jeder Amateur. Es wäre nicht das erste mal, daß die Öffentlichkeit so hinters Licht geführt werden soll. Nicht zu vergessen, die Amerikaner fühlen sich, durch das kluge Vorgehen Putins (der diesen Konflikt von Anfang an diplomatisch lösen wollte), angegriffen - die Amerikaner standen plötzlich als diplomatische wildwest Dilettanten da. Es liegt sehr nahe, daß man die Russen nun vorführen möchte und der Welt zeigen: Wir hatten eben doch recht! Außerdem wo bleibt der Aufschrei der Medien, auch die USA quälen und foltern, um ihre Interessen durchzusetzen (Stichwort: Guantanamo). Ich möchte nicht falsch verstanden werden, ich lehne dieses Vorgehen ab, aber man soll bitte nicht mit zweierlei Maß messen, sondern der Westen muß sich an die eigene Nase fassen, da liegt nämlich auch viel im Argen!
ebertus
Diese Story von "Cäsar"scheint mir derart um die Ecke konstruiert, dass dies selbst der taz zumindest in Ansätzen hätte auffallen sollte.
"Für die Angehörigen dokumentiert"...?
Und warum sind dann die Identifizierungsmerkmale entfernt bzw. bewußt geschwärzt? Vielleicht sollen ja gerade die Kontexte dieser Massenschlächterei nicht hinterfragt werden.
Vielleicht mal jenseits des medialen Mainstream nachlesen, wie hier beispielsweise:
http://urs1798.wordpress.com/2014/01/22/false-flag-propaganda-gegen-die-syrische-regierung-im-vorfeld-von-genf-2-syrien-syria/
Kurzlink: http://notina.net/14r
RPH
Du mieser Mörder und Folterkecht im Anzug. Aber was kommt nach ihm? Friedensengel? Bestimmt nicht. Eine irre Welt!
kuk
Gast
"Wer einmal lügt, dem traut man nicht" - würde an dieser Stelle sehr gut passen. Die Terroristen haben seit dem Anfang dieses Krieges immer wieder gefälschte "Beweise" vorgelegt, die immer vor bestimmten Ereignissen plötzlich da waren.
Gesunder Menschenverstand sagt mir, dass es nicht im Interesse der Folterer ist, Fotos von durch Folter gestorbenen Menschen zu machen - besonders, wenn Folterspuren darauf zu sehen sind (für Totenschein besonders nicht). Dass die ganze Aktion durch Katar finanziert ist. bestätigt nur diese These. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass Assads Leute Gefangenen foltern und umbringen, aber die Toten bei dieser Geschichte sind eher den Terroristen zuzuschreiben.
Denn ich gehe davon aus, dass Regierungseinheiten wirksamere und spurlose Folterarten ausüben würden, als Stromschläge, die medienwirksame Verbrennungen auf der Haut hinterlassen.
herr müller
hat nicht assads vorgehen die ereignise eskalieren lassen ?
wie kann man vor solchem verbrecher und seinen helfern die augen verschliessen und meinen alles was gegen diesen diktator spricht sei blosse fälschung?
ps:ich möchte nicht wissen wie radikal sie ihre ansicht ändern würden, wenn sie unter dem bombenhagel einer luftwaffe laben müssten.
Ursula
Gast
@herr müller Bei ihnen hat ja die Propaganda voll durchgeschlagen! Bitte informieren sie sich mal über die hintergründe des Syrienkrieges. Die Saudis und Katar haben inzwischen mehrere Milliarden in diese Aggression gesteckt, sie werden langsam unzufrieden, weil das syrische Volk und Assad anscheinend nicht zu besiegen sind. Deshalb auch die jüngste Folterfotos, direkt von der Kanzlei, die Katar nahesteht.
Hari Seldon
Gast
Aus dem Artikel: "Im Auftrag von Katar": Tja, derjenige der die Rechnung bezahlt, bestimmt die Musik. Wie die "fast 1500 Toten des Giftgasangriffs durch Assad´s Truppen" gerade beim Besuch der Chemiwaffeninspekteurewn obwohl schon MIT (keine Assad-freundliche Organisation) auch festgestellt hat, dass die Giftgasraketen definitiv nicht aus den Territorien unter Assad´s Kontrolle abgefeuert wurden. Übrigens, für einen Totenschein werden NIRGENDWO Fotos verlangt. Was wenn die Aufnahmen die Opfern der Terroristen zeigen? Dazu kommt, dass digitale Fotos sehr einfach gefälscht werden können. Die TAZ sollte nicht bei den Hetz- und Lügenkampagnen der Mainstream-Medien dabei sein.
banner oedtelu
Gast
"obwohl schon MIT festgestellt hat..."
Könnten Sie bitte die Quelle dieser Information hier posten?
Vielen Dank!
jögern von pauli
Gast
@Hari Seldon Ausnahmsweise mal ein vernünftiger Beitrag von Ihnen, Hari Seldon. Wenn Sie jetzt noch bei anderen Themen wie etwa S21 Ihr Gehirn anknipsen, wird noch was aus Ihnen.