Goslars Oberbürgermeister abgewählt: Der Abgang des Sonnenkönigs
Fast 90 Prozent stimmen in Goslar gegen den amtierenden Oberbürgermeister. Dessen Absetzung wollten zuletzt alle Parteien im Rathaus - auch seine eigene.
GOSLAR taz | An seinem letzten Arbeitstag blieb für Henning Binnewies nicht mehr viel zu tun. Der scheidende Goslarer Oberbürgermeister wartete am Montagnachmittag noch das offizielle Ergebnis ab, dann war seine Amtszeit zu Ende: Rund 87 Prozent der Wähler hatten tags zuvor dafür gestimmt, dass der umstrittene SPD-Politiker sofort seinen Hut nimmt.
Etwa 15.000 von 34.000 Wahlberechtigten beteiligten sich an dem in der Goslarer Geschichte einmaligen Urnengang. Für die Abwahl war eine einfache Stimmenmehrheit erforderlich, die Wahlbeteiligung musste bei mindestens 25 Prozent liegen - beides wurde deutlich übertroffen. Die sechs im Stadtrat vertretenen Parteien hatten das Verfahren gemeinsam in Gang gesetzt, weil sie sich eine weitere Zusammenarbeit nicht vorstellen konnten. Binnewies reguläre Amtszeit hätte erst 2014 geendet.
Binnewies war seit 2006 Oberbürgermeister - er erhielt damals 60 Prozent der Stimmen. Zuvor war der Jurist im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium tätig sowie in verschiedenen Landesbehörden in Hamburg und Hannover mit Wirtschafts- und Marktfragen befasst. In Goslar steht er seit Monaten unter anderem wegen Unregelmäßigkeiten bei den städtischen Finanzen unter Druck. Auch die geplante Anschaffung eines Dienstwagens vom Typ Volkswagen Phaeton, Kündigungsdrohungen gegen streikende Kindergärtnerinnen und ein selbstherrlicher Umgang mit Mitarbeitern waren kritisiert worden. "Sonnenkönig" titulierten ihn die anderen Parteien auf Flugblättern.
Binnewies selbst fühlte sich gemobbt und unverstanden. Für ihn gehörten Streitereien im täglichen Geschäft dazu, sagte er noch am Mittwochabend bei einer mit rund 500 Zuhörern gut besuchten Podiumsdiskussion. Beleidigend oder ausfallend sei er aber nie gewesen. Fachliche Vorwürfe bestritt der 61-Jährige auf seiner Internetseite.
Vor einem Jahr war im Stadtrat ein erster Abwahlantrag gescheitert. Die 16 Ratsmitglieder der SPD beteiligten sich damals nicht an der Abstimmung, die notwendige Dreiviertel-Mehrheit kam nicht zustande. Doch der Druck nahm weiter zu.
Zwischenzeitlich bot Binnewies sogar einen freiwilligen Amtsverzicht an: Er wollte das Rathaus zum 31. Mai verlassen, dann drei Monate Resturlaub abbauen und sein Dienstverhältnis zum 31. August beenden. Die SPD-Fraktion, die sich bis dahin allen Initiativen der anderen Parteien für ein Abwahlverfahren widersetzt hatte, war zufrieden.
Dann wurde aber bekannt, dass Binnewies zusätzlich auf eine Abfindung in Höhe von rund 250.000 Euro bestand. Für die Sozialdemokraten im Rat war damit das Maß voll. "Das können wir den Bürgern nicht vermitteln", so Fraktionsvize Gerd Politz. Die SPD schloss sich der Initiative der anderen Parteien an.
Die Amtsgeschäfte in Goslar wird nun zunächst der Erste Stadtrat Klaus Germer führen, repräsentative Verpflichtungen übernehmen die Bürgermeisterinnen Gudrun Pfeiffer und Renate Luksch. Das unrühmliche Ende von Binnewies gilt auch als Niederlage von Sigmar Gabriel: Der aus Goslar stammende SPD-Chef hatte Binnewies 2005 nachdrücklich für das Amt des Oberbürgermeisters empfohlen.
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