piwik no script img

Gorleben-UntersuchungsausschussEin Fall für das Gericht

Die Opposition hofft, dass der Untersuchungsausschuss im Bundestag die Öffentlichkeit für das Atommüll-Lager Gorleben neu sensibilisiert. Und denkt über eine Strafanzeige nach.

Seit Jahrzehnten gibt es Proteste gegen Gorleben als Lager für Atommüll. Bild: reuters

BERLIN taz | Geschönte Akten und Parteipolitik statt Atomphysik - davon reden nicht nur Umweltschützer von Greenpeace, sondern auch Politiker von SPD, Grünen und Linken. Sie wollen die Ungereimtheiten bei der Wahl des niedersächsischen Salzstocks als Ort für den über 1.000.000 Jahre strahlenden Müll aus Atommeilern in einem Untersuchungsausschuss des Bundestages aufklären. Nächste Woche tagt er zum ersten Mal. Der Ausschuss soll mehr sein als bloße Vergangenheitsbewältigung, meinen die Oppositionsleute, die im Ausschuss sitzen.

"Gorleben hat sich erledigt, wenn sich herausstellt, dass bei der Standortwahl von Anfang an getrickst wurde", erklärt Sylvia Kotting-Uhl von den Grünen. Der Ausschuss schaffe Öffentlichkeit - "eine veränderte Sensibilität" für die Probleme, die die Atomkraft macht, sagt SPD-Politikerin Ute Vogt. Es sei allerdings denkbar, dass das Endlager im nordöstlichen Zipfel Niedersachsens erst ein Fall fürs Gericht werden müsse, bevor die schwarze-gelbe Koalition von ihm abrücke. Vogt: "Am Ende muss man womöglich alle Mittel versuchen, auch juristische." Und Dorothée Menzner von den Linken sagt: "Wir behalten uns eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen vor."

Platz für Atommüll

Atommüll für Gorleben: In Atomkraftwerken wird Strom durch die Spaltung von Uran erzeugt. Übrig bleiben abgebrannte, hochradioaktive Brennstäbe. Bisher sind davon gut 12.000 Tonnen in deutschen Meilern angefallen. Die Energiekonzerne horten den über Jahrtausende strahlenden Müll derzeit in oberirdischen Zwischenlagern in Ahaus, Gorleben und neben ihren Meilern. Je länger die Atomkraftwerke am Netz bleiben, umso mehr Müll muss irgendwo gelagert werden.

***

Alternativen für Gorleben: Möglicherweise eigneten sich wasserdichte Gesteinsschichten aus Ton besser als der Salzstock in Niedersachsen, um den Strahlenmüll zu vergraben, sagen Geologen. Vor allem süddeutsche Unionspolitiker wehren eine neue Suche aber ab: Tonreiche Schichten liegen im unionsgeführten Bayern und Baden-Württemberg.

***

Politik für Gorleben: Schwarz-Gelb hat sich im Koalitionsvertrag darauf festgelegt, erst mal nur den Salzstock Gorleben weiter erforschen zu wollen. Mitte März verkündete CDU-Bundesumweltminister Norbert Röttgen, das rot-grüne Erkundungsmoratorium aufzuheben. Im Jahr 2000 hatte die damalige Schröder-Regierung die untertägige Erkundung in Gorleben gestoppt und den Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte einberufen. Die 14 Wissenschaftler im Arbeitskreis haben empfohlen, fünf, mindestens aber drei Standorte parallel zu erkunden.

Die zuständigen Mitglieder der Koalitionsfraktion finden das alles übertrieben. Angelika Brunkhorst von der FDP etwa erwartet keine "Unregelmäßigkeiten". Allen müsse klar sein, so meint sie, dass "die Standards der Meinungsbildung damals anders gewesen sind - weniger transparent".

Arbeit bedeutet der Untersuchungsausschuss in jedem Fall. 15 Bundestagsabgeordnete werden voraussichtlich ab 22. April und dann jeden Donnerstag während der Sitzungswochen des Parlamentes ab 9 Uhr tagen. Sie werden Akten durchleuchten, die Rolle mehrerer Bundeskanzler, Ministerpräsidenten und Fachminister hinterfragen, gut 30 Jahre zurückgehen.

Der Salzstock Gorleben wird seit 1977 erkundet. Woher kam diese frühe Festlegung auf Gorleben? Lag es an "politischen Vorfestlegungen, hat die Atomwirtschaft "Einfluss" ausgeübt, die Regierung gegenüber der Öffentlichkeit "falsche Angaben" gemacht? Der Untersuchungsausschuss soll eine Liste mit 26 solcher Fragen abarbeiten.

Die Leitung hat die niedersächsische CDU-Politikerin Maria Flachsbarth. Der Vorsitz für Untersuchungsausschüsse wird in einem rotierenden Verfahren vergeben, die CDU war dran. Flachsbarth setzt sich für die weitere Erforschung von Gorleben ein, sagt aber: "Ich bin so viel Demokratin und Parlamentarierin, dass ich mir zutraue, die Verhandlungen fair und neutral zu führen." Sie hat Zeit genug, das zu beweisen. Die meisten gehen davon aus, dass der Ausschuss gut zwei Jahre braucht, bis Ergebnisse vorliegt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • J
    JanG

    @Urgestein

     

    Granit und Ton sind sehr wohl und vor allem sehr gut erforscht. In Schweden wird gerade ein Endlager in Granit gebaut, die Schweiz erwägt den Bau in Ton. Ganz allgemein muss man in die Welt schauen, viele Länder müssen die Endlagerung in diesen Formationen nutzen da sie kein Salz haben.

     

    zum Thema Salz: ein "gesunder" Salzstock hat kein Problem mit zulaufender Lauge da aufgrund der Konvergenz des Salzes dieses so stark zusammengepresst ist, dass nicht mal alpha-Strahlung durchkommt, geschweige denn Wasser. So hat man in einigen Salzstöcken Wassereinschlüsse gefunden, die mehr als 200 Mio Jahre alt sind. Diese Salzstöcke haben also das Entstehen und Vergehen von Pangäa überlebt, die Hebung der Alpen sowie mehrere Eiszeiten. Die Idee ist nun, eine solche "Blase" auch künstlich zu erzeugen - technisch eine durchaus machbare Sache.

     

    Das setzt natürlich die Unversehrtheit des Salzstockes voraus. Die Asse wurde mehr als 60 Jahre als Bergwerk genutzt, erfüllt diese Bedingung also nicht. Von daher ein unsinniges Argument in dieser Debatte.

     

    Ach so, nochwas: Fässer werden erstens für die Endlagerung von HAW nicht genutzt sondern POLLUX-Behälter bzw. neuerdings der TN-85. Zweitens ist einer Verrottung im verschlossenen Salzstock ohne Luft und Wasser nicht möglich. Drittens hatte ich Ende der 90er in der Forschungsgruppe in der ich mitarbeite ein Experiment gemacht: Wärme entwickelnder Abfall unter Laugenzufluss. Das Ergebniss: aufgrund der Wärme erreicht die Lauge den Behälter nur als Dampf, kondensiert auf dessen Oberfläche und bildet eine Kristallschicht die als zusätzliche geologische Barriere fungiert. Sollte also wirklich Lauge zutreten (was schwierig bis unmöglich ist, siehe meine Argumente oben), so führt das nur zur Ausbildung weiterer Barrieren.

     

    Insgesamt ist die Endlagerung in Salz machbar, leider wird soviel Unsinn in den Medien geredet (Asse als Endlager) und die Menschen sind zu bequem und glauben einem Reporter mehr als sich die Mühe zu machen, sich selber ein Bild zu machen, so dass diese ganze Debatte mittlerweile einfach nur noch traurig anzuschauen ist.

  • M
    Michel

    ach Urgestein, hör doch auf den energiekonzernen das aufkündigen des erpressten atom"konsens" in die schuhe zu schieben. Der Staat, also damals rot-grün und dann Schullehrer Gabriel haben das endlager doch weiter verhindert mit dem moratorium, sie haben also schon von anfang an den "konsens" der nie einer war, gebrochen!!!

  • U
    Urgestein

    @"Michel", wenn Du Dir die "Verbesserungsvorschläge" von JanG für künftigere Standortauswahlverfahren ansiehst, wirst Du - hoffentlich - merken, wie falsch Du mit Deinem Vereinnahmungsversuch liegst.

     

    Gute Besserung!

     

     

    @"JanG", Ton und Granit sind noch viel zu wenig bis gar nicht erforscht und gehören alleine deshalb in ein Auswahlverfahren bei einer neuen Standortsuche. Die Festlegung auf Salz ist eher politisch gewollt als wissenschaftlich vertretbar, gerade der Einfluss von Grundwasser und die Verrottung der Fässer in der sich bildenden Salzlauge wurde jahrzehntelang heruntergspielt und vertuscht. Mit den Folgen, wie wir sie jetzt in der Asse sehen. Demgegenüber gibt es gerade bei der Erkundung von Granit als Lagermedium regelrechte Denkverbote, die ebenso politisch und ebenso wissenschaftlich nicht haltbar sind, die aber keinesfalls zufällig aus der gleichen Richtung kommen, aus welcher auch die Forderung nach einer Verlängerung der Laufzeiten der Atommeiler "auf unbestimmt" erhoben wird. Denn diese Denkverbote verhindern die Ausweitung potentieller Erkundungsstandorte auf den süddeutschen Raum und hinter ihnen steht nichts weiter als das altbekannte "Sankt-Florian-Prinzip".

     

    Im "Atomkonsens" zwischen Wirtschaft und Politik wurde zweierlei vereinbart: Die eine Seite akzeptierte ein definitives Ende der Kernenergie für den Standort Deutschland, die andere akzeptierte Gorleben als Endlager für die dann "endliche Menge" an strahlendem Müll. Dieser Kompromiss war auch den BI's und Umweltschützern vor Ort vermittelbar. Dieser Kompromiss wird nun aber von den Stromoligarchen und ihren zu reinen Erfüllungsgehilfen verkommenen Bütteln auf der politischen Bühne aufgekündigt. Gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung.

     

    Die Regierung betreibt hier einen ganz klaren Wortbruch gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung. Es versteht sich von selbst, dass damit auch alle im Rahmen des Kompromisses eingeräumten Zugeständnisse hinsichtlich des Standortes Gorleben hinfällig sind.

  • C
    claudia

    >>...und die Urteile von Fachleuten angezweifelt werden,...

  • M
    Michel

    @JanG. Sehr schöner Kommentar, aber bei der TAZ und einigen ihrer Leser, wirst Du keine Freude damit auslösen:

     

    " Selbst wenn hier ideale Bedingungen vorherrschen würden, das ganze ist politisch derart kaputt gemacht worden, dass eine Auswahl nicht mehr in Frage kommt."

    -> Das ist doch schon seit Jahren die Strategie der Grünen, der SPD, der Geldeintreiberorganisationen und der BIs...

  • J
    JanG

    Ich arbeite als Physiker nun schon länger auf dem Gebiet der Endlagerforschung und denke nicht, dass wir vom Salz weggehen sollten. Jede der untersuchten Wirtsgesteine (Salz, Ton/Lehm, Granit bzw. in den USA sogar Tuff) haben so ihre Vor- aber auch Nachteile. Eine gute Übersicht bietet hier der Synthesebericht des BfS: "Konzeptionelle und Sicherheitstechnische Fragen der Endlagerung radioaktiver Abfälle - Wirtsgesteine im Vergleich" (frei erhältlich zum Download auf der Seite des BfS: www.bfs.de).

     

    Stellt man alle diese Vor- und Nachteile gegenüber, so ist Salz einfach mal das beste von allen. Und die technische Machbarkeit einer Endlagerung über den geforderten Zeitraum in Salz ist möglich. Hierzu muss der Salzstock aber gewisse Kriterien erfüllen die durch den AkEnd definiert wurden und die m.E. auch durchaus vernünftig sind.

     

    Zum Beispiel die Asse erfüllt diese Bedingungen nicht. Ob Gorleben sie erfüllt weiss ich ehrlich gesagt leider nicht, möchte mir daher hier (im Gegensatz zu manch einem Journalisten oder anderen Laien die ebenfalls keine Ahnung haben) kein Urteil erlauben.

     

    Aber durch den ganzen Murks der im Laufe der Jahre passiert ist, ist Gorleben aufzugeben. Selbst wenn hier ideale Bedingungen vorherrschen würden, das ganze ist politisch derart kaputt gemacht worden, dass eine Auswahl nicht mehr in Frage kommt. Der beste Weg wäre also, aus den Erfahrungen mit solchen Standorten Asse, Morsleben oder Gorleben bzw. vom Ausahlweg wie ihn beispielsweise Schweden ging, zu lernen und in einem neuen Verfahren unter Berücksichtigung der Bürger und vollständiger Transparenz der Prozesse einen neuen Standort zu finden.

     

    Hier sind aber auch die Medien gefragt die endlich mal wieder etwas mehr Objektivität in's Spiel bringen müssen. Wenn beim Thema Radioaktivität gleich alles verteufelt wird und die Urteile von Fachleuten angezweifelt werden, wenn in den Zeitungen teilweise hanebüchener Unsinn steht der einfach mal so nicht stimmt, dann kann sich auch die interessierte Öffentlichkeit kein objektives Bild machen und der Prozess der Standortfindung wird erneut zu einem Fiasko.

     

    Denn in einer Beziehung sollten wir uns doch wohl alle einig sein: der Müll ist da und muss irgendwie beseitigt werden.