Google und der Datenschutz: Das große Taktieren
Der Internet-Konzern fordert vor der Unesco internationalen Datenschutzstandard. Das hätte nicht unbedingt eine Verbesserung des Schutzes unserer Online-Privatsphäre zur Folge.
Der Google-Konzern fordert mehr Datenschutz. Die Suchmaschine, die selbst wiederholt wegen mangelnden Datenschutzes am Pranger stand, setzt sich jetzt für einen weltweit gültigen Standard beim Umgang mit sensiblen Daten ein. Am besten dafür geeignet solche Regelungen zu implementieren seien die UN oder die OECD, sagte Peter Fleischer, der bei Google für Datenschutz zuständige Justiziar, auf einer Unesco-Tagung in Straßburg. "Das Endziel sollte sein, Mindeststandards für den Schutz der Privatsphäre zu schaffen, die die Erwartungen und Anforderungen von Konsumenten, Wirtschaft und Regierungen entsprechen", sagte der Rechtsexperte. Als mögliches Vorbild nannte Fleischer die Länder der APEC in Asien, die jetzt erstmals gemeinsame Standards einführen wollen. Jedes Land dort soll aber noch die Möglichkeit haben, sie ihren jeweiligen Bedürfnissen anzupassen.
Googles plötzlicher Aktionismus in Sachen Privatsphärenschutz auf internationaler Bühne kommt nicht von ungefähr - die Suchmaschine steht zunehmend unter Druck seitens der Datenschutzbehörden. So untersucht derzeit die EU wie bei Google der Datenschutz tatsächlich aussieht. Auch die Übernahme des großen Online-Werbe-Unternehmens DoubleClick wirft Fragen nach dem Schutz der Privatspäre auf.
Marc Rotenberg, Direktor der Netzbürgerrechtsorganisation Electronic Privacy Information Center (EPIC), wundert sich: Eine Firma, "gegen die derzeit wegen der Verletzung globaler Datenschutzstandards ermittelt wird, ruft nach internationalen Datenschutzstandards." Das sei ungefähr so, als würde ein wegen Geschwindigkeitsübertretung erwischter Verkehrsteilnehmer nach neuen Verkehrsregeln rufen, sagte Rotenberg der Washington Post.
Dabei weiß Google mehr von seinen Nutzern als vielen überhaupt bewusst ist. Der bekannte amerikanische IT-Verleger John Battelle bezeichnete die weltweit marktführende Suchmaschine einst als "Datenbank der Wünsche" - schließlich tippen wir all jene Begriffe in einen ihrer Server ein, für die wir uns aktuell interessieren.
Für Google ist ein ein profitables Geschäft: Wenn Google weiß, nach was wir suchen, kann uns der Konzern auch die dazu passende Werbung einblenden und sich diese dann gut bezahlen lassen. Bei publizistischen Angeboten stochert die werbetreibende Industrie viel eher im Zielgruppen-Nebel, bei der Suchmaschine geht das weitaus passgenauer.
Bis vor wenigen Monaten nahm sich Google laut Nutzungsbedingungen sogar heraus, die Suchanfragen aller Nutzer zeitlich uneingeschränkt zu speichern. Dazu gehörten jeweils die eingetippten Suchbegriffe, die Zeit der Anfrage, welcher Browser genutzt wurde, die IP-Adresse sowie die so genannten Cookie-Details - das sind kleine Datenschnipsel, die Nutzer auch dann identifizierbar bleiben lassen, wenn sie in neuer Sitzung, also mit frischer Internet-Adresszuteilung, online gehen.
All diese Daten, die anhand eines IP-Abgleichs mit dem Provider des Nutzers personalisiert werden können - was bislang jedoch nur die Staatsanwaltschaften dürfen -, lagen also unendlich lange auf Googles Servern. Erst im März entschied sich das Unternehmen, wenigstens ein bisschen von dieser bei Datenschützern heftig kritisierten Praxis abzurücken.
Wirklich freuen konnen diese sich aber immern noch nicht: Google hatte sich nur eine zeitliche Beschränkung von anderthalb bis zwei Jahren für die Speicherung freiwillig auferlegt. Und selbst nach dieser Zeit werden die Daten immer noch nicht vollständig gelöscht. Sie werden lediglich anonymisiert, so dass sie nicht mehr einer konkreten IP-Adresse zugeordnet werden können.
Google erklärt die lange Speicherzeiten in seinen Nutzungsbedingungen mit der Notwendigkeit, über diese Logdateien technische Verbesserungen an der Suchmaschine vornehmen zu können - auch in Sachen Sicherheit und Betrugsabwehr sei dies laut Google notwendig. Warum dies nicht auch mit kürzeren Speicherfristen oder teilweise auch aggregierten, also zusammengefassten Daten funktionieren kann, sagt man nicht. Und so dürfte das Interesse staatlicher Stellen an dem großen Pool an Google-"Wünschen" der Nutzer nur weiter zunehmen - und die Gefahr einer allumfassenden Überwachung per Suchmaschine auch.
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