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Goethes isländische Reife

Eine Elfenpost im Strudel der Kommunikation: Neues über das private Goethe-Institut Reykjavík,um das private Goethe-Institut Reykjavík und um das private Goethe-Institut Reykjavík herum

von WOLFGANG MÜLLER

„Toleranz darf nur eine vorübergehende Gesinnung sein; sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“ Goethe

Klammheimlich hat die CDU auf ihrer Website ihre Kampagne zur Rettung der abendländischen Kultur zurückgezogen. „Toleranz ja – ‚Ehe‘ nein“ hieß es da noch bis vor kurzem. Mit der Ehe in Anführungszeichen war das neue Partnerschaftsgesetz gemeint. Garniert war die Werbung mit den Silhouetten zweier Männer. Mein erster Gedanke: Sind das etwa echte schwule Männer? Oder doch nur heterosexuelle Modelle aus einer Agentur? Oder vielleicht sogar die Mitglieder der LSU, der Organisation von Lesben und Schwulen in der Christenunion? Das wollte ich doch gerne wissen und schrieb eine Mail an CDU und LSU. Bislang ohne Resultat.

Später las ich im Schwulenmagazin Box ein Interview mit dem LSU-Regionalsprecher Ost, Olaf Schwennesen. Sein Coming-out habe er zeitgleich zu seinem Eintritt in die CDU erlebt, im Jahr 1985. Damals hätten die Grünen und die SPD sich genauso wenig für Schwule und Lesben engagiert wie die CDU, sagte er unwidersprochen dem Lederblatt. Ich schüttelte den Kopf und musste unwillkürlich an Herrn Merz, seine langen Haare und die wilde Rockerzeit denken. Klar, ich hätte natürlich nichts dagegen, wenn die CSU in Sachen rechtlicher Gleichstellung links an den Grünen vorbeischrammt. Meine Mail indes hat Herr Schwennesen bis heute nicht beantwortet.

Genauso wie Frank Albers, der Leiter des staatlichen Goethe-Zentrums in Reykjavík. Hatte ich ihm doch einen Brief geschrieben, letzten Sommer sogar noch einen Zettel in den Briefschlitz des ständig geschlossenen und unbesetzten Zentrums in Reykjavík geworfen und schließlich verzweifelt E-Mails mit der Bitte um Beantwortung gesandt – sie blieben ohne Antwort. Dabei hatte er doch behauptet, er würde gern mit meinem privaten Goethe-Institut Reykjavík zusammenarbeiten. „Goethes Isländische Reise“ sollte die Koproduktion heißen, eine Kunstausstellung in Island.

Verschwunden im Elfenstrudel also ist Herr Albers, dachte ich irgendwann und bewarb mich im September 2000 um den Posten als dessen Nachfolger. Beim Generalsekretär Joachim Sartorius in der Münchner Goethe-Zentrale. „Da meine Briefe und Mails nicht beantwortet wurden, gehe ich davon aus, dass die Stelle frei ist.“ Doch da die Überraschung. Sartorius schrieb, dass sich meine Behauptung, die Briefe seien unbeantwortet geblieben, als haltlos erwiesen habe. Ihm liege ein abschlägiger Bescheid vom 15. 4. 1999 vor, in dem Frank Albers freundlich, aber bestimmt „Goethes Isländische Reise“ als nicht finanzierbar bezeichnet habe. Auf meine Bitte wurde der mir bislang unbekannte Brief an mich übersandt.

Die nett geschriebene Absage mit dem Aprildatum stand in krassem Gegensatz zu einem Anruf, den ich von Zentrumsleiter Albers Monate später, im Oktober 1999, erhalten hatte. Das isländische Goethe-Institut sei doch längst aufgelöst, bedeutete er mir aufgeregt, es heiße jetzt Goethe-Zentrum und ich dürfe den entsorgten, aber rechtlich geschützten Namen nicht einfach für meine Veranstaltungen verwenden. Das könne teuer werden. Überdies wäre sonst unser gemeinsames Ausstellungsprojekt gefährdet, wenn ich mich weiterhin als der geschäftsführende Direktor des Goethe-Instituts Reykjavík bezeichnen würde. Nach abschlägigem Bescheid hörte sich das jedenfalls nicht an.

Um die Wahrheit zu sagen: Ich halte den Brief von Frank Albers für eine nachträglich angefertigte Rechtfertigung, extra geschrieben für Joachim Sartorius in der Münchner Zentrale. Von einer listigen Elfe verfasst, ohne Wissen von Frank Albers, dessen zarte Unterschrift auf der mir übersandten Kopie nicht andeutungsweise zu sehen ist. Eine Schutzelfe gewissermaßen.

Joachim Sartorius ist nun jedenfalls Leiter der Berliner Festspiele, während mein privates Goethe-Institut schon unzählige Anfragen, mehrere Bewerbungen von Praktikanten und sogar eine eines promovierten Germanisten aus Bonn bekommen hat, der sich mit seiner Frau und beiden Kindern um die Stelle als Leiter im Goethe-Zentrum Reykjavík bewirbt. Ich beantworte alle Anfragen und Bewerbungen gewissenhaft, obwohl ich natürlich weiß, dass es sich meist um Verwechslungen handelt. So sehe ich mich gezwungen, den Bewerbern mitzuteilen, dass selbstverständlich jedeR im Goethe-Institut Reykjavík mitarbeiten könne, sogar Goethe-Instituts-Mitarbeiter, allerdings völlig honorarfrei – so wie ich selbst.

Woher das große Interesse? Nun, das staatliche Goethe-Zentrum Reykjavík bezahlt zwar seine beiden Halbtagsstellen, hat aber keine Website, ist so gut wie nie erreichbar – anders mein privates Goethe-Institut von Reykjavík. Tag und Nacht erreichbar unter www.geysir.de. Dort kann man jetzt übrigens auch einige Bilder der Ausstellung „Goethes Isländische Reise“ sehen. Über zwanzig Künstler haben sich daran beteiligt. Die Show fand in Islands erstem besetzten Haus statt, dem Gulahusid, dem gelben Haus. Goethe-Zentrums-Leiter Frank Albers habe sie jedenfalls nicht angeschaut, haben mir die Besetzer berichtet – obwohl ein großes Transparent mit der Aufschrift „Goethes Isländische Reise“ ihm buchstäblich vor der Nase flatterte. Das Gulahusid liegt nämlich direkt gegenüber dem Goethe-Zentrum in der Lindagata und war vor seiner Besetzung nach monatelangem Leerstand acht Jahre das Zentrum der Schwulen und Lesben Islands.

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