Glosse von Nadine Conti zur wundersamen Amtszeitverlängerung: Vati macht mal wieder länger. Mutti auch
Bürgermeisterjahre verhalten sich zu normalen Jahren offenbar so ähnlich wie Hundejahre zu Menschenjahren. Vor allem, wenn man in Goslar oder Hildesheim wohnt. Dort haben die frisch gewählten Stadtchef*innen nämlich zu ihrer großen Überraschung erst nach der Wahl festgestellt, dass sie gar nicht bis 2026, sondern bis 2031 amtieren dürfen beziehungsweise müssen. Na, so was!
Für den Hildesheimer Ingo Meyer (52, parteilos) mag das gerade noch angehen, aber für Urte Schwerdtner (58, SPD) läuft das auf eine Rente mit 68 hinaus. Und das als Sozialdemokratin. Das liegt allerdings nicht daran, dass die Herr- respektive Frauschaften zu dusselig sind, das Kleingedruckte in ihren Arbeitsverträgen zu lesen. Sondern wohl daran, dass ihren Rechtsabteilungen zu spät dämmerte, dass man über einen Paragrafen der niedersächsischen Kommunalverfassung stolpern könnte.
Mit dem sollten ursprünglich die Amtszeiten der Räte und der Bürgermeister*innen angeglichen werden – damit man die Bürger*innen weniger oft an die Urne rufen muss.
Außerdem benötigt so ein*e Bürgermeister*in mindestens fünf volle Jahre Amtszeit, um Anspruch auf Versorgungsleistungen zu haben. Und das – so argumentierte man damals – könnte ja durchaus ausschlaggebend sein. Jedenfalls befürchtete man, immer weniger hochkarätige Kandidat*innen finden zu können, wenn die befürchten müssen, schon nach zwei oder drei Jahren wieder in die Wüste gejagt zu werden (oder wo auch immer Ex-Bürgermeister*innen hingehen) – mit Fußtritt statt mit goldenem Handschlag sozusagen.
Wenn nun aber aus irgendeinem Grund – Städte oder Gemeinden fusionieren, Bürgermeister*innen sterben, erkranken oder treten zurück – die Amtsperiode doch abweicht, soll sie einfach so lange verlängert werden, bis sie wieder parallel zum Rat endet. So weit, so logisch.
In Goslar und in Hildesheim war den Beteiligten nun aber wohl nicht klar, dass die Amtsperiode des OBs um genau zwei Monate abweicht. Die jeweiligen Vorgänger waren nämlich noch für acht Jahre bis zum 1. Januar 2022 gewählt worden.
Die hätten natürlich ihren Verzicht auf diese lächerlichen zwei Monate erklären können – um das fristgerecht tun zu können, hätten sie aber schon vor einem halben Jahr davon wissen müssen. Wussten sie aber nicht.
Was im Fall von Ingo Meyer, der sich ohnehin selbst beerbt und seit 2011 einfach immer weiter im Amt bleibt, egal ist. Und Urte Schwerdtner braucht nach dem ersten Schreck jetzt eben eine gut organisierte Wiedervorlage und kann sich dann in 4,5 Jahren überlegen, ob sie sich den Quatsch wirklich weiter antun will.
Richtig, richtig peinlich ist aber, dass sehr viel kleinere Gemeinden wie Jever und Schüttorf das Problem schon vor der Wahl auf dem Schirm hatten. Mit interessanten Unterschieden im Ergebnis: In Jever hat sich Bürgermeister Jan Edo Albers (parteilos) einfach für zehn Jahre wählen lassen, weil er den Kram ja vorher auch schon acht Jahre gemacht hatte. In Schüttorf hat Samtgemeindebürgermeister Manfred Windhaus (parteilos) versprochen, er trete zum Oktober 2026 zurück. Also zu 99 Prozent, schreibt das Kreisblatt. Hoffentlich denkt er rechtzeitig dran.
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