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Globalisierungskritikerin zur US-Finanzkrise"Sozialismus für Reiche"

Die Globalisierungskritikerin Susan George fordert, die Rettung des Finanzsektors an staatliche Auflagen zu knüpfen. Nötig sei ein ökologischer Keynesianismus.

Auch auf diesem Haus lasten schwere Hypotheken. Aber der Staat zahlt gerne. Bild: ap

Bild: archiv

Susan George, 74, ist Politologin, Aktivistin und Autorin von Büchern wie "Sie sterben an unserem Geld: Die Verschuldung der Dritten Welt" und "Change it! Anleitung zum politischen Ungehorsam". Sie ist in den USA geboren und lebt in Paris.

taz: Frau George, die Wall Street hat schon einige Finanzkrisen erlebt. Was ist diesmal anders?

Susan George: Diesmal betrifft die Krise nicht nur einen Sektor, sondern alle. Und wir erleben einen ungeahnten Paradigmenwechsel: einen Sozialismus für Reiche.

Sie meinen die Verstaatlichung der Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac und der Versicherung AIG.

Und die geplante Übernahme fauler Kredite durch den Staat. Die Vermögenswerte werden vom Staat gerettet, die Verluste aber der Allgemeinheit aufgebürdet.

Gerade von linker Seite heißt es oft, man hätte die Firmen lieber pleitegehen lassen sollen.

Natürlich kann man sagen, es geschieht ihnen recht, wenn sie pleitegehen. Aber was wären die Folgen? Was würde es für normale Menschen heißen, wenn ihre Pensionsfonds und Lebensversicherungen auf einmal wertlos sind? Vor allem in den USA hängt die soziale Absicherung der Menschen längst von den Kapitalmärkten ab. Die Kapitalrenditen der Banken lagen zuletzt im Schnitt bei über 20 Prozent, zwei- bis dreimal so hoch wie in anderen Branchen. Sie haben uns zweifellos abgezockt. Wenn wir ihnen jetzt aus der Patsche helfen, dann nur gegen Auflagen.

Zum Beispiel?

Warum sollten die Banken nicht gezwungen werden, einen bestimmten Anteil ihrer Kredite zu vergünstigten Konditionen für den ökologischen Umbau der Wirtschaft zu vergeben? Wir brauchen ein neues Wirtschaftsmodell: einen ökologischen Keynesianismus. Die USA waren immer dann wirtschaftlich am erfolgreichsten, wenn sie einer keynesianistischen Politik gefolgt sind.

Organisationen wie Attac, aber auch Politiker fordern, die Finanzmärkte endlich umfassend zu regulieren.

Das ist ja wohl auch das absolute Minimum! Zumindest sollten wir endlich Geld und Kredit als ein Gemeingut behandeln, als etwas, wozu alle Menschen Zugang haben müssen. Sie sollten beispielsweise nicht ihre Häuser verlieren, wenn sich der Markt ändert.

Immerhin will der US-Kongress jetzt im Rahmen des Rettungsplans der Regierung auch Hilfen für Hausbesitzer vorsehen.

Die Krise ist damit noch lange nicht vorbei. Amerikaner leben auf Pump - so sehr, dass es für Europäer schwer vorstellbar ist. Viele Leute können die Kredite, die sie auf ihre Häuser aufgenommen hatten, nicht mehr bedienen und müssen ihr Haus verkaufen. Weil so immer mehr Häuser auf den Markt kommen, fallen deren Preise immer weiter. Wir erleben bei den Vermögenswerten eine Deflationsspirale, die anhält. Dazu kommt, dass die Banken einander nach wie vor nicht trauen und sich deshalb keine Kredite einräumen. Auch Geldmarktfonds und Hedgefonds kommen in Schwierigkeiten. Wir können noch überhaupt nicht absehen, was noch alles auf uns zukommt.

Droht dem Finanzsektor am Ende eine Kernschmelze?

Das wird der Staat mit seinen Rettungspaketen verhindern. Die Katastrophe findet in der realen Wirtschaft statt, und dagegen tut die Regierung nichts. Kredite werden knapp und teuer, Unternehmen investieren nicht mehr, Arbeiter werden entlassen, die Nachfrage sinkt weiter - all das läuft auf eine heftige wirtschaftliche Schrumpfung hinaus, nicht nur in den USA.

Auf dem europäischen Sozialforum in Malmö hat jemand gesagt, wir bräuchten eine Revolution, um die nötigen Veränderungen durchzusetzen.

Beim Sturm auf das Winterpalais werde ich in erster Reihe mitmarschieren. Leider ist es nicht so einfach. Die Hälfte aller US-Amerikaner besitzt selbst Aktien und ist dankbar, wenn der Staat etwas zur Rettung des Finanzsektors unternimmt. Die allerwenigsten Leute haben begriffen, dass sie selbst es sind, die die Zeche zahlen müssen.

INTERVIEW: NICOLA LIEBERT

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2 Kommentare

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  • G
    GoZ

    Einfach beschämend, dass ausgerechnet eine Globalisierungskritikerin Mitleid mit der reichen Hälfte der us-amerikanischen Bevölkerung hat und diese vor Schaden bewahren möchte, indem sie schreibt:

    "Die Hälfte aller US-Amerikaner besitzt selbst Aktien und ist dankbar, wenn der Staat etwas zur Rettung des Finanzsektors unternimmt."

     

    Kein Wort darüber, dass die Spekulation mit Aktien überhaupt erst diese Blasen verursacht hat und logischerweise nicht ewig so weitergehen konnte. Mein Mitleid mit Spekulanten und geldgierigen Leuten, die glaubten, mit Geld problemlos Geld verdienen zu können, hält sich in Grenzen.

  • DO
    Dr. Ohnemoos

    Hallo,

     

    zuerst zum positiven an diesem Bericht: der Begriff "Sozialismus für Reiche" ist völlig zutreffend. Genau das ist es, was jetzt passiert: Ausbeutung der Normalbevölkerung zugunsten von Spekulanten und Schuldenmachern (nichts gegen Spekulation, WENN der Spekulant im Versagensfalle bestraft wird und alles verliert).

     

    Was Frau Georges Idee des Keynesianismus betrifft, so muss dazu folgendes gesagt werden: der Keynesianismus ist doch wohl in wesentlichen Punkten an der jetzigen Situation schuld !

    Waren es nicht die Keynesianer, die einer Staatsverschuldung das Wort redeten ? Ist nicht die Anfeuerung der Wirtschaft durch Inflation durch den Keynesianismus (besser den Vulgärkeynesianismus) entstanden ? Haben die USA nicht die letzten Jahrzehnte eine mehr oder minder inflationistisch-vulgärkeynesianistische Politik betrieben ?

     

    Frau George redet weiterhin, davon Kredit jedem zugänglich zu machen. Ja, gerade daraus resultieren doch die Probleme, die wir haben. Die FED hat in den letzten Jahren den Zins massiv nach unten manipuliert und somit dazu beigetragen, dass die Verschuldung immmer uferloser wurde und jeder Hans und Franz einen Kredit bekommen hat. Bedenkenlose Kreditvergabe ist das Problem und nicht die1 Lösung !

     

    Generell finde ich die Einstellung merkwürdig, dass jeder Zugang zu Geld haben sollte. Es sollte doch wohl in der Regel von einer gewissen Leistung abhängig sein, ob man Geld bekommt. Krethi und Plethi Geld zu geben, führt nur zu Verschwendung und hohen Preisen.

     

    Kredite werden teuer. Da hat Frau George recht. Hoffentlich bleiben sie teuer, denn dann ist eine Abschreckung vor noch weiterer Verschuldung gegeben. Schulden lösen keine Probleme.

     

    Es ist auch richtig, dass wohl eine Schrumpfung stattfinden wird, oder zumindest eine Umstrukturierung der Wirtschaft. Das ist auch gut so, da sich somit die Wirtschaft an die Konsumentenwünsche anpassen kann. Es ist allerdings mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Politik diese Anpassung verhindern will. Das macht die Sache nicht besser, sondern später um so schlimmer.

     

    Die Ökonomen der Österreichischen Schule haben das heutige Desaster ziemlich genau vorausgesehen. Sie sind der Auffassung, dass eine Bank die pleite ist, eben pleite ist. Und genauso ist es richtig. Es sollte keinerlei Hilfe für solche Kreditinstitute geben. Man könnte aber daran denken den Anlegern einen gewissen Prozentsatz ihrer Anlage direkt auszuzahlen.

    Die bankrotte Bank aber ist aufzulösen.

     

    Das Banken- und Währungsssystem sollte generell umgestaltet werden: Goldstandard bei 100 % Reservehaltungspflicht der Banken. Also keine federal-reserve-Betrügerei mehr.

     

    Viele Grüße

     

    Dr. O.