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Archiv-Artikel

Glitschig schimmmern die Seelen

Das Theaterkontor zeigt mit dem Stück „ Amorph – Amor Eros Orpheus“ einen Ausschnitt aus der Sage von Orpheus und Eurydike im gefluteten Bühnenraum. Dabei gibt es märchenhafte Effekte, ein erkennbares Interesse am Stoff aber gibt es nicht

Im alten Griechenland sollen dem Meistersänger Orpheus nicht nur die Tiere gelauscht haben, auch die Olivenbäume seien ihm nachgelaufen und die Felsen seien aufgetaucht vom Meeresgrund, um ihn singen zu hören. Wird so erzählt. Und ist auch wichtig um zu verstehen, wie das mit Orpheus‘ Ausflug in das Totenreich funktionieren konnte: Er sang so schön, dass ihn der Fährmann Charon über den Styx, den Fluss der Unterwelt, hinüberfuhr. Denn Orpheus musste zu den Toten, um seine allzu früh verstorbene Lebensliebe Eurydike zurück ins Leben zu holen. Singender Weise.

In der Inszenierung „Amor Eros Orpheus“ im Bremer Theaterkontor allerdings steht Orpheus im Wasser und schweigt. Kein Gesang, keine Worte, nur ein von Regisseur Benedikt Vermeer hinzuerfundener Amor, der in einer Art Entenkostüm mit Fliegerhaube mal die Geschichte erzählt, mal die Handlung vorantreibt: Amor will, dass Orpheus und Eurydike wieder zusammenkommen.

Während Orpheus stumm und gramgebeugt dasteht, bequatscht Amor den Fährmann Charon, der mit tiefer Stimme und wackelnder Ganzkopf-Gummimaske daherkommt wie eine Figur aus dem Märchenwald. „Amor Eros Orpheus“ hat mit seinen fantastischen Masken, seinen einfach gestrickten Dialogen und seinen überdeutlich gestikulierenden SchauspielerInnen viel von einem Kindertheater.

Für die schummrige Atmosphäre im Märchenwald am Styx sorgt vor allem der Bühnenbau: Die Wände sind schwarz und der Bühnenboden ist komplett geflutet, gespielt wird ausschließlich im wadenhohen Wasser. Möglich werden dadurch diverse malerische Spiegeleffekte, glitschig schimmernde Latexseelen sowie eine Rauch- und Blubberzeremonie – letztere eingebaut als Kaffeekränzchen von Orpheus, Amor und Charon.

Wobei deutlich wird: Dem Ensemble geht es um die Effekte und die Rauminstallation und nicht um die Sage von Orpheus und Eurydike. Zwar trifft der Theaterkontor-Orpheus am Ende des gut einstündigen Abends noch auf den Höllenhund Zerberus, die Begegnung mit Eurydike aber wird nur mündlich berichtet und als Happy End verkauft. Dass Orpheus seine Geliebte beim Rückweg aus der Unterwelt wieder verliert, kommt nicht mehr vor. Dabei wäre die Geschichte an diesem Punkt erst spannend geworden.

„Amor Eros Orpheus“ ist ein durchaus liebevoll illustrierter Ausschnitt aus dem Original, verzichtet allerdings völlig auf ein erkennbares Interesse am antiken Stoff. Die Geschichte ist dünn, die Bilder aber sind reich – und hängen dennoch eigenartig in der Luft. Klaus Irler

Nächste Vorstellungen: 5.-7.11. sowie 10. und 11.11., jeweils um 20.20 (!) Uhr im Theaterkontor