Gleichstellung unter der CDU: Prien nun auch Frauenministerin
Karin Prien ist für vieles zuständig. Nun hat sie ihre erste gleichstellungspolitische Rede vor dem Deutschen Frauenrat gehalten. Wie kam sie an?

Wieviel Geschlechterpolitik die langjährige schleswig-holsteinische Bildungsministerin Prien da noch machen wird, ist sowohl angesichts der Themenfülle als auch ihrer bisherigen Schwerpunkte eine noch unbeantwortete Frage. Als „Gesellschaftsministerium“ sprach Prien seit ihrem Amtsantritt gern von ihrem neuen Haus, „in dem alle Themen rund um gesellschaftlichen Zusammenhalt, Generationengerechtigkeit und Demokratiebildung angesiedelt sind.“ Für zentrale Themen der Geschlechterpolitik wie Gewaltschutz und Familienrecht hat die Federführung laut Koalitionsvertrag ohnehin das Bundesministerium der Justiz.
Der Auftritt der Ministerin bei der Veranstaltung des Frauenrats, des größten gleichstellungspolitischen Dachverbands, gab nun zumindest Hinweise auf Priens gleichstellungspolitischen Ansatz. Wie schon in ihren ersten Interviews etwa in Spiegel und Zeit gibt sich die neue Ministerin ausgewogen und kompromissfähig – und vor Fachpublikum durchaus verbindlich, wenn auch nur symbolisch. So soll die Abteilung 4 ihres Ministeriums nicht mehr nur „Gleichstellung“, sondern „Frauen und Gleichstellung“ heißen – „weil es mir wichtig ist, das deutlich abzubilden“, so Prien. Sie erntet dafür Applaus.
„Mühsam erkämpft“
Zum Teil seien die vergangenen Jahrzehnte eine Erfolgsgeschichte, sagt die Ministerin: „Wir haben eine gleichstellungspolitische Transformation hinter uns“, viele Errungenschaften seien „mühsam erkämpft“. Wandel bedeute allerdings nicht, dass es nur vorwärts gehe. In Zeiten wie diesen, in denen „das Pendel zurückzuschlagen droht“, habe sie diese Gefahr „sehr genau im Blick“. Weltweit sei man in einer solchen Phase. Inwiefern das auf Deutschland zutreffe, werde sich erweisen. Sie trage Sorge dafür, dass genau das nicht passiere.
Digitalisierung sei ein gleichstellungspolitisches Thema, die Auswirkungen des Klimawandels ebenfalls. Prien wirbt für die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie, die sicherstellen soll, dass bei gleicher Arbeit gleiches Entgelt geleistet und geschlechtsspezifische Diskriminierung dabei ausgeschlossen wird.
Auf der Agenda bleibe auch der Gewaltschutz. Prien bittet allerdings um Verständnis, nach sechs Wochen noch keine vollständige Agenda vorstellen zu können und wollen. Generell gehe es darum, Sorge zu tragen, dass Frauen nicht nur laut Verfassung, sondern tatsächlich gleichberechtigt sind, „sowohl mit Blick auf ihre wirtschaftliche als auch politische Gestaltungsmacht“.
Prien kündigt an, an der ressortübergreifenden Gleichstellungsstrategie zu arbeiten, an der Quote und der Frage von Teilzeit und Vollzeit. Gerade in der Familienphase gerieten viele Frauen in die „Teilzeitfalle“ und kämen nicht wieder hinaus – „mit nachhaltigen Konsequenzen“. Wenn „manche sagen, es müsse mehr gearbeitet werden“, zitiert sie Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), ohne ihn beim Namen zu nennen, müsse man reden: über soziale Sicherungssysteme, über die wirtschaftliche Eigenständigkeit von Frauen – und generell „über die Rolle von Männern“. Da gehe es zum Beispiel um die gleichmäßige Verteilung von Carearbeit und den Mehrwert, den auch Männer davon hätten.
„Ich fand Prien offen“
Zudem müssten die Betreuungsstrukturen Vollzeitarbeit hergeben, was natürlich den Bereich Kita und Schule betreffe. Prien, Bildungs-, Frauen- und Familienministerin, schließt mit einem Verweis auf die Sinnhaftigkeit der Zusammenlegung der Ressorts: „Dieses Beispiel führt vor Augen, warum es so wichtig ist, dass der neue Ministeriumszuschnitt ist, wie er ist“.
„Ich fand Prien offen“, sagt Monika Schulz-Strelow, die Gründungspräsidentin des Vereins „Frauen in die Aufsichtsräte“ FidAR, nach der Rede. Prien sei teilweise ihrer eigenen Partei gegenüber kritisch und stehe auch als Ministerin zu diesen Positionen, was sie glaubwürdig mache.
Einer, die nicht namentlich genannt werden möchte, gefällt, dass Prien den geschlechterpolitischen Backlash adressiert hat. Elke Ferner (SPD), frühere parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und heute im Vorstand des Deutschen Frauenrats, sagt: „Ich gehe davon aus, dass wir eine gute Arbeitsgrundlage haben, um gleichstellungspolitische Ziele gemeinsam voranzubringen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!