Gleichstellung beim NDR: Sender führt Männerquote ein
Der NDR hat für eine Stelle ausdrücklich einen Mann gesucht. Geht nicht, sagen Kritiker. Eine Richtlinie sieht sogar eine Männerquote von 30 Prozent vor.
BERLIN taz | „Männer bevorzugt“. So war kürzlich eine Stelle beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) ausgeschrieben. Danach war die Aufregung bei dem öffentlich-rechtlichen Sender groß. Der NDR-Staatsvertrag sieht nämlich die „berufliche Gleichstellung von Mann und Frau“ vor: Die Hälfte aller Posten im Haus soll mit Frauen besetzt sein. Aber die Realität sieht anders aus. Zwar arbeiten in manchen Abteilungen mehr Frauen als Männer, aber die Führungsebene, von der Intendanz bis zur Verwaltung, ist stark männlich besetzt.
Jetzt gibt es wieder „Quoten“-Ärger in Hamburg. Eine im Juni rückwirkend für Mai unterzeichnete „Dienstvereinbarung zur beruflichen Gleichstellung von Frauen und Männern“ beim NDR sieht eine 30-Prozent-Quote vor.
So zumindest interpretieren Gleichstellungsbeauftragte mehrerer öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten den Passus: „Eine Unterrepräsentanz liegt vor, wenn der Frauen- bzw. der Männeranteil in Organisationen und Funktionen (…) jeweils unter 30 von 100 liegt.“
Verärgert reagierte das Netzwerk ProQuote Medien. Es sieht in dem Vorgang ein „Novum in der Gleichstellungspolitik“. Der Verein hatte sich im Frühjahr mit der Maßgabe gegründet, sich in fünf Jahren selbst abschaffen zu können. Dann nämlich sollen 30 Prozent aller Chefredakteure weiblich sein. Jetzt sind es gerade mal 2 Prozent.
Ungleiche Bezahlung in manchen Abteilungen
Annette Bruhs, ProQuote-Vorsitzende, sagte zur taz: „Absenken kann man erst, wenn die 50 Prozent erreicht sind.“ Der Verein fürchtet, dass der NDR in jenen Bereichen eine „Männerquote“ einführe, in denen weniger Männer als Frauen arbeiten. Das Pikante daran: In manchen Abteilungen gibt es zwar mehr weibliche Redakteure, aber die werden vielfach schlechter bezahlt als Männer.
Der NDR sieht die Debatte gelassen. Mit der Formulierung sei nur eine „verwaltungstechnische Grenze“ gezogen worden, heißt es aus dem Haus. Weiterhin gelte die „strategische Quote“ von 50 Prozent. Die NDR-Stelle, für die speziell ein Mann gefunden werden sollte, hat übrigens dann doch eine Frau bekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau