: Gleiche Privilegien für alle!
Das spanische Baskenland setzte in Eigenregie eine Steuersenkung durch – und brachte die Regierungen anderer Provinzen gegen sich auf ■ Aus Madrid Alexa Meyer
Spaniens Provinzhäupter haben sich in den Haaren. Vor allem im Norden werden derzeit zwischen dem Baskenland, Katalonien, La Rioja und Castilla-Léon wahre Schlammschlachten ausgefochten. Grund ist die Senkung der Körperschaftssteuern, die die Basken jüngst vorgenommen haben.
Noch im September hatte die Zentralregierung in Madrid Rechtsmittel dagegen eingelegt. Doch bereits im Oktober sah dann alles ganz anders aus. Weil Ministerpräsident José María Aznar die Zustimmung der Basken für seinen Haushalt 1997 brauchte, traf er in einer Marathonsitzung eine Abmachung mit der in der Region regierenden Baskischen Nationalpartei (PNV) über einen neuen Wirtschaftsplan und steuerliche Privilegien. Der dortige Regierungschef José Antonia Ardanza senkte die Körperschaftssteuer auf 32,5 Prozent – im übrigen Spanien liegt sie bei 35 Prozent. Außerdem darf seine Regierung im Gegensatz zu den restlichen Regionen künftig die Steuern für Mineralölprodukte, Alkohol und Tabak selbst eintreiben; das war bislang dem Zentralstaat vorbehalten.
Seit Bekanntwerden dieser steuerlichen Privilegien, die umgerechnet rund 1,6 Milliarden Mark zusätzlich in die baskischen Kassen bringen, herrscht Mißstimmung zwischen den Provinzen. Obwohl die Madrider Regierung erklärt, das Vorgehen sei verfassungskonform, weil das Baskenland nicht erst seit der Verabschiedung des Autonomiestatutes 1979, sondern von jeher über wirtschaftliche Sonderrechte verfüge, ziehen einige Regionen in Eigenregie gegen die Senkung der Körperschaftssteuern vor Gericht. Allen voran fürchten die ärmeren Nachbarn La Rioja, Kantabrien und Castilla-Léon Wettbewerbsnachteile und eine damit verbundene Abwanderung von Unternehmen. Manuel Chaves, Chef der in Sevilla ansässigen andalusischen Regionalregierung, sieht in den Zugeständnissen an die Basken gar eine dauerhafte Zementierung des wirtschaftlichen Nord-Süd-Gefälles.
Aznars zweiter Juniorpartner, der Chef der katalanischen Regionalregierung, Jordi Pujol, reagiert besonders sauer. Er fordert seit Bekanntwerden des Paktes fast täglich eine Nachbesserung des Autonomiestatuts seiner Region. Damit ihn die Madrider Zentralregierung auch ja nicht überhört, droht er immer wieder, seine Convergencia i Unio (CiU) zurückzupfeifen – die für Aznar ebenfalls als Mehrheitsbeschaffer dient –, solange die Unstimmigkeiten zwischen Katalonien und der Zentralregierung nicht beigelegt seien.
Nur in einer Provinz stößt die baskische Politik auf uneingeschränkte Gegenliebe: im benachbarten Navarra. Dort genießt man einen ähnlichen Sonderstatus wie die Basken und will diesen Spielraum jetzt ebenfalls für eine Steuersenkung nutzen.
Die Basken wollen die ganze Aufregung nicht verstehen. Der PNV-Vorsitzende Xabier Arzalluz wirft Castilla-Léon, Kantabrien und La Rioja vor, immer wieder vom Terrorismus der Separatistenorganisation ETA profitiert zu haben. Einige baskische Unternehmen hätten ihren Sitz aus Angst vor Erpressung und Entführung in andere Provinzen verlegt.
Der Applaus der Unternehmer ist der PNV gewiß. Der Arbeitgeberverband CEOE setzt aus verständlichen Gründen auf den freien Wettbewerb zwischen den Regionen in Sachen Körperschaftssteuer. Das müsse ja wohl zu machen sein, ohne daß es deshalb gleich zu einem „Steuerkrieg“ kommen müsse, so der Standpunkt des CEOE.
Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Jetzt hat sich gar die EU eingeschaltet. Wettbewerbskommissar Karel Van Miert wird untersuchen, ob die baskischen Steuerkompetenzen nicht gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstoßen, weil sie angrenzende Regionen benachteiligen. Die Reaktion aus dem Baskenland ließ nicht lange auf sich warten. Dann müsse man eben den Vertrag von Maastricht modifizieren, verkündete Regionalfürst Ardanza.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen