Glauben: Der Voodooprinz
Prinz Bokpe von Allada betreibt ein Reisebüro. Die Voodoo-Spiritualität ist Teil seiner afrikanischen Kultur
Prinz Bokpe von Allada sitzt in seinem Büro im Tempelhofer Industriegebiet. Von zwei Seiten flankieren Hauptverkehrsstraßen das Haus. Im Zimmer des Prinzen ist von der unwirtlichen Umgebung nichts zu spüren. Ruhig ist es hier. Geschmackvoll eingerichtet auch. Die weißen Möbel betonen die afrikanischen Skulpturen, die er aufgestellt hat. "Ich liebe Weiß. Das verheißt Klarheit", sagt der Prinz.
Vor fast 30 Jahren ist er aus dem Benin nach Ostberlin gekommen, um zu studieren. Verkehrsingenieur ist der Würdenträger, Mann einer Ostberlinerin und Vater zweier Töchter dazu.
1996 allerdings veränderte sich sein Leben. Dem Spross einer königlichen Familie wurde in jenem Jahr der Titel eines "Dah" verliehen. Die Übersetzung in "Prinz" trifft seinen Rang nicht wirklich. Mit der Berufung zum "Dah" wird anerkannt, dass Bokpe von Allada nicht nur ein hoher Würdenträger ist, dessen Einfluss sich auf ein Reich, ein geografisches Gebiet, bezieht, sondern auch auf ein spirituelles Wissensgebiet. "Am ehesten kann man meine Stellung mit dem demütigen Hauptdiener eines Pharao vergleichen", sagt er. Die waren Repräsentanten von Gott, aber selbst keine Götter. "Man betet mich nicht an, aber man respektiert meinen Rat." Er ist ein pharaonischer Hauptdiener mit Spitzbart im schwarzen Anzug. Für Fotos allerdings kleidet er sich traditionell.
Das Königreich, dem Prinz Bokpe von Allada entstammt, heißt Alladahonou und liegt im Süden des Benin. Drei Millionen Menschen gehören zu seinem Volk. "Ich bin einer der Wissenden unserer Kultur", erklärt er seine Stellung. Teil dieser Kultur ist Voodoo. Die Voodoo-Spiritualität entstand vor 700 Jahren in seinem Land. König Adjhouto, der Urahn Bokpe von Alladas, "taufte Voodoo", erzählt der Prinz. Damals lautete Voodoo noch: "wo bo du". Er schreibt die Worte auf einen Zettel. "Lehne dich zurück und hole aus der Natur die notwendigen Kräfte zur Erhebung deiner Seele. Arbeite daran, Gott nah zu kommen", übersetzt er. Um "Voodoo", das von Afrika mit den Sklaven nach Haiti, nach Kuba kam, rankt sich viel Halbwissen mit geköpften Hühnern, schwarzer Magie, Trommelrhythmus und Zauber. Einer wie der Prinz kann darüber nur den Kopf schütteln. "Das sind negative magische Praktiken. Wenn die westlichen Medien nur das herauspicken, dann ist das unzureichend", sagt er. Für ihn ist Voodoo in erster Instanz einfach "Liebe". "Die Liebe muss ich in mir finden, bevor ich sie verbreiten kann. Die Liebe muss ich mir selbst erarbeiten."
Als Bokpe von Allada in den Rang eines Dah gehoben wurde, hätte er ablehnen können. Oberstes Gebot seiner Kultur sei, dass der freie Wille des Menschen niemals unterworfen werde. "Missbrauch von Macht richtet sich gegen einen selbst." Umgekehrt allerdings entsteht Disharmonie, wenn jemand den göttlichen Willen missachtet. Die Disharmonie muss durch Opfer, Zeremonien und Rituale wieder in Gleichklang gebracht werden.
Die Beurteilung dessen, was göttlicher Wille ist, bereitet allerdings selbst im Gespräch mit Bokpe von Allada einige Schwierigkeiten. Wie er aus göttlichem Willen ein Dah geworden ist, so ist seiner Ansicht nach auch ein Sklave aufgrund der göttlichen Vorsehung in diesen niederen Rang geraten. Beides ist Schicksal. Was aber, wenn der Sklave gegen sein Schicksal rebelliert und sich auf seinen eigenen freien Willen, der nicht unterworfen werden darf, beruft? "Wenn er durch den freien Willen die göttliche Realität nicht annimmt, gibt es Disharmonie", sagt der Prinz. Und wie weiter? Voodoo bietet zwei Auswege. "Hilf mir, mein Schicksal anzunehmen", lautet der eine. "Hilf mir, da rauszukommen", der andere. Wie meistens im Leben muss also auch in seiner Kultur um Lösungen gerungen werden. "Faulheit schafft keine Offenbarung", sagt der Prinz. Es sei wichtig, zu erkennen, wo man seinen Platz hat.
Der Platz des Prinzen ist in Berlin. Teilweise zumindest. Hier wird er als Generalbevollmächtigter für Europa-Angelegenheiten des Königs von Allada und als internationaler Exekutivsekretär der Diplomatenakademie Afrikas für diplomatische Vermittlungen zwischen den Kontinenten gebraucht. Zudem hat der Prinz in Berlin sein Reisebüro. Er organisiert Touren in den Benin. Seine Autorität, sagt er, mache es möglich, dass die Touristen dabei echten Voodoo-Zeremonien bewohnen können, nicht bloßen Touristen-Spektakeln.
Weil es ihn vor 30 Jahren in die DDR verschlug, er aber dennoch zum Dah berufen wurde, versteht er seine Aufgabe darin, als Mittler zwischen der westlichen Kultur und seiner eigenen zu handeln. Denn der Prinz kann drei politische Systeme vergleichen: "Ich bin froh, dass ich weiß, was Feudalismus, Kommunismus und Demokratie bedeuten."
Träger von Geheimnissen
Zu seinen Vermittlungsaufgaben gehört auch, Worte für Voodoo zu finden. Das ist nicht leicht. Denn gleichzeitig muss er seine Kultur hüten. Als Träger der Geheimnisse, die ihm seine Vorfahren hinterlassen haben, muss er ständig abwägen "wo er was wie weit offenbaren kann". Über die Zeremonien, an denen er teilnimmt, spricht er nicht. "Gott ist eine unfassbare Energie und Wesenheit, die wir niemals begreifen können", sagt er.
Zur Anschauung seiner Gedanken holt er eine Kalebasse mit Deckel. "Solange der Deckel zu ist, wissen wir nicht, was drin ist." So muss man die Gottsuche, die Suche nach Antwort auf das Unerklärliche verstehen. Wer Glück hat, dem öffnet sich der Deckel der Kalebasse ein wenig. "Was der Mensch erlebt, ist Realität. Das Unerklärliche wird er auch erfahren", sagt der Prinz.
In seiner Kultur spricht man über das Unerklärliche nur mit spirituell Höhergestellten. Ob es dafür magischer Wege bedarf und welche das seien, hinge, sagt er, vom Entwicklungsgrad des Handelnden ab. Trance muss man sich dabei als Methode jener vorstellen, die im Erkenntnisprozess weit fortgeschritten sind. "Jemand, der in Trance fällt, ist rein, ist auserwählt. Durch ihn spricht Gott." Die Frage, ob er magische Erfahrungen hatte, ob er Trance erlebt hat, beantwortet er nicht. "Darf ich schweigen?", fragt er. Wer soll es verbieten?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!