piwik no script img

Giftige Golden Girls

Trotz der fünf gewonnenen Medaillen bei der Europameisterschaft gibt es Knatsch im Kreis der deutschen Tischtennisspielerinnen

aus Bremen HARTMUT METZ

Als Peter Karlsson im Europameisterschaftsfinale den Kroaten Zoran Primorac abgeschmettert hatte, eilte sein zuvor heftig applaudierender Mannschaftskamerad Jörgen Persson gleich als Gratulant herbei. Der Ex-Weltmeister gönnte dem 28-jährigen Karlsson den ersten großen internationalen Einzelerfolg von Herzen. Gleiches galt für Tischtennis-Genie Jan-Ove Waldner, der im Halbfinale an Primorac gescheitert war. Anstatt mit dem eigenen Schicksal zu hadern, verhielten sich die Schweden so wie stets an der Platte: vorbildlich fair – und mit Teamgeist. „Das Wir-Gefühl und der innere Zusammenhalt machen uns so stark“, meint der Trainer des Welt- und Europameisters, Ulf Carlsson.

Nach dem Fünf-Satz-Erfolg von Qianhong Gotsch in einem begeisternden Spiel über Mihaela Steff (Rumänien) freuten sich nur die Trainer mit der Betzingerin. Kein Wir-Gefühl vorhanden, das macht die deutschen Tischtennisspielerinnen so schlapp. Nicht richtig schwach, denn mit fünf Medaillen in vier Wettbewerben fiel die Bilanz in Bremen sogar besser aus als die der sieggewohnten Schweden. Eigentlich ein Grund zum Jubilieren für den Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB), zumal die Herren die Bilanz auf siebenmal Edelmetall schraubten. Doch die Konflikte in der in Grüppchen zerfallenen Damen-Riege stellten den Erfolg bei der 22. Tischtennis-EM in den Schatten.

Die „Golden Girls der 90er“ hackten nach dem 2:4 im Mannschaftsfinale gegen Ungarn auf Bundestrainer Martin Adomeit ein. Nicht Gotsch oder die dreifache Medaillengewinnerin Jie Schöpp. Eher schon die scheidende Rekordnationalspielerin Olga Nemes. „Krach? Das wurde überbewertet. Die Ungarinnen waren besser vorbereitet, dazu stehe ich“, verkündete die künftige Bad Driburger Spielertrainerin. Am giftigsten gebärdeten sich die im Halbfinale entthronten Europameisterinnen Elke Schall und Nicole Struse. Dass Adomeit sie gegen Ungarn zu Recht nur im Mannschaftsdoppel aufbot, bestätigte das Duo mit dem frühen Aus im Einzel. Zurückhaltend reagierte Adomeit auf die Polemik. „Es haben nicht alle geschafft, mit der Niederlage sportlich umzugehen. Wir müssen ein paar klärende Worte sprechen. Anstatt sich selbst an die Nase zu fassen, wurde der Erfolg geschmälert“, erklärte der 36-jährige Hobby-Landwirt. „Manchmal ist man bestraft, wenn man zu gut und zu nett zu den Damen ist!“, meinte DTTB-Sportkoordinator Dirk Schimmelpfennig.

Die dreifache Europameisterin von 1996, Struse, hatte schon vor sechs Jahren nach dem letzten verlorenen EM-Finale lautstark die Ablösung von Schimmelpfennig als Damen-Bundestrainer gefordert. Der stattdessen zum Sportkoordinator beförderte Coach stärkte Adomeit den Rücken. Eine „falsche Taktik und Aufstellung“ oder gar fehlende „Motivationskunst“ des üblichen „Sandsacks Trainer“ konnte Schimmelpfennig nicht erkennen. „Eine Mannschaft, die für ein Finale motiviert werden muss, hat im Endspiel nichts zu suchen. Ich spürte mehr Angst zu verlieren als den Glauben an den Sieg“, wertete der Diplom-Sportlehrer die Leistung des Favoriten und ergänzte: „Wir haben weniger gebrannt als die Ungarinnen.“ An die Adresse der Kritikerinnen von Adomeit ging die Bemerkung: „Manche müssen lernen, was Respekt und Menschlichkeit nach Niederlagen bedeuten.“

Ein Rausschmiss bleibt der Katzenfreundin Struse, die nach den Attacken ihre scharfen Krallen wieder einzog („Es gab keine Aussprache, weil es keine Kritik an Martin Adomeit gab“), erspart. „Sie hat ihre Verdienste“, erklärte Schimmelpfennig den Verzicht auf Konsequenzen. Europameisterin Gotsch zog ebenso einen Schlussstrich unter das Gezänk. „Ein Bundestrainer muss sich durchsetzen können“, riet die gebürtige Chinesin Adomeit, ehe sie ihren Kolleginnen die schwedische Philosophie predigte: „Die Mannschaft muss mehr zusammenhalten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen