Ghetto für Reiche: Skifahren im Nirgendwo
Das Nanshan Ski Village bei Peking
Es ist, als würde die Schnellstraße durchs Nichts führen. Ein breiter grauer Streifen, der sich leicht verschämt durch das graubraune Land schlängelt, als würde er einem zuflüstern: "Fahr schnell weiter, hier gibt es nichts zu sehen!" Es fällt schwer, die Gegend überhaupt ausreichend zu beschreiben, weil hier so wenig zu sehen ist. Gelegentlich fährt man an kleinen Hütten vorbei, ab und zu ein paar kahlen Bäumen, die nicht den Eindruck machen, als würden sie je wieder grün werden. Im Hintergrund zeichnet sich Gebirge ab. Mit ein bisschen Glück sieht man einen Fasan, Rotwild soll es hier auch geben. Die Landschaft im Nordosten von Peking ist steinig, karg und unspektakulär. Der trockene Winter tut sein Übriges. Gerade als sich die Augen an die kontrastarme Landschaft gewöhnt haben, erblickt man die riesige weiße Fläche. Ein strahlender Fleck durchbricht die Eintönigkeit, und erst jetzt mag man wirklich glauben, dass es nur 60 Kilometer von Peking entfernt ein Skigebiet gibt.
Das Beijing Nanshan Ski Village liegt im Verwaltungskreis Miyun, der noch zur Hauptstadt gehört. Zwar sind die Temperaturen winterlich, doch Niederschlag gibt es zu dieser Jahreszeit so gut wie nie. Für den Schnee sorgen 12 Schneemaschinen, die das zirka 266 Hektar große Skigebiet mit dem weißen Pulver versorgen. Es gibt 12 verschiedene Pisten, hauptsächlich für Anfänger, aber auch eine schwarze Piste und einen Snowboardpark, der von einem österreichischen Unternehmen errichtet wurde und internationalen Standards entspricht. Anfang Januar machte hier sogar die Weltelite der Snowboarder einen kurzen Stopp. Am 10. Januar 2009 fanden hier die "Nanshan Red Bull Open" statt, das einzige chinesische Event auf der TTR World Snowboard Tour.
Für Skibegeisterte, die sich keine akrobatischen Sprünge zutrauen, ist das Wintervergnügen begrenzt. Die Pisten sind meist flach und sehr kurz, die Schlangen an den Liften dafür lang. Hauptsächlich sind es wohlhabende Pekinger mit ihren Familien, die einen Tagesausflug in das künstliche Skigebiet machen, darunter aber auch viele Ausländer. Auf der Terrasse eines Restaurants werden Fleischspieße gegrillt. Wer will, kann aber auch Pizza essen und Cola trinken.
Das Nashan Ski Village ist ein klassisches Urlaubsgetto für Wohlhabende, dem Ambiente eines europäischen Winterorts nachgestellt. Zumindest wenn man nicht über die Begrenzungszäune der Pisten hinwegguckt. Links und rechts sind sie wieder, die kargen Berge, das graue Nichts, vereinzelt ein paar Hütten. An den Straßen rund um das Skigebiet verkaufen Chinesen aus Lastwagen heraus Skihandschuhe und -jacken an die, die noch keine Ausrüstung haben. Es gibt ein paar einfache Hütten, vor denen neben Skikleidung auch Gemüse verkauft wird.
Vom Reichtum, der in europäischen Skigebieten jedes einzelne kleine Dorf erfasst, ist hier nichts zu sehen. Wie ein Fremdkörper hat sich das künstliche Skigebiet in das Gebirge gefressen. Die bunten Jacken der Skifahrer wollen einfach nicht so richtig in diese Gegend passen. Und es ist, als würde einem zugeflüstert: "Fahr schnell weiter, hier gibt es nichts zu sehen!"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!