Ghanaer bei den Paralympics: „Ich leuchte auf meine Art“
Alem Mumuni glänzte als Fußballer auf Krücken, heute zählt der Ghanaer zur Radsportelite. Er will eine Schule gründen, die auf Kinder mit Behinderungen spezialisiert ist.
Ein junger Westafrikaner sitzt in der internationalen Zone des Paralympischen Dorfs. Erst auf den zweiten Blick sieht man die Krücken, die am Boden neben ihm liegen. Alem Mumuni ist einer der zwei Straßenradfahrer bei den Paralympics, die aus Afrika kommen. Mehr konnten sich nicht qualifizieren. Mumuni, 28, stammt aus Ghana. Er hatte Polio und verlor dadurch die Fähigkeit, sein rechtes Bein zu benutzen. Wenn Mumuni seine Geschichte erzählt, entsteht ein Bild von Afrika, das es so eigentlich nicht mehr gibt.
Er stammt aus einem Dorf im hintersten Teil Ghanas. Nachdem er im Alter von zwei Jahren an Polio erkrankte, musste er acht Jahre lang auf dem Boden kriechen, erst dann sah er seine ersten Krücken. Wie sein älterer Bruder sollte er Kuhhirte werden – bei all dem Dreck und Staub nicht gerade der beste Beruf für einen Menschen, der so nah am Boden leben muss, wie Alem bemerkt. Dann entschieden sich seine Eltern, ihn doch in eine Schule zu schicken.
Der junge Alem war so lernbegeistert, dass er bald eine Klasse überspringen konnte. Er schaffte es, in die weiterführende Schule zu kommen, musste aber nebenbei auf dem Feld arbeiten, um sich das leisten zu können. Trotz seiner physischen Einschränkungen spielte er Fußball mit den anderen in der Schule. Da die Schule weit weg war, fragte ihn ein Lehrer eines Tages, ob er schon mal versucht hätte, Fahrrad zu fahren. So kam Mumuni zum Fahrrad.
Doch seine sportliche Karriere begann er im Fußball. Als er 2005 einem der Brüder in die Hauptstadt Accra folgte, sprach ihn ein unbekannter Mann mit einem amputierten Bein an und fragte, ob er kicken könne. Zwei Jahre später spielte Alem für das Nationalteam Ghanas bei der Afrikanischen Fußballmeisterschaft für Menschen mit körperlichen Behinderungen.
Wendung in der Karriere
Ghana gewann das Turnier dank eines Treffers von Mumuni im Finale. Doch bald sollte seine sportliche Karriere eine weitere Wendung nehmen. Ein irischer Sportwissenschaftler hatte beobachtet, dass Alem nicht nur Fußball spielte, sondern auch sein Fahrrad als Fortbewegungsmittel nutzte.
Er schlug Alem vor, es mit Radsport zu versuchen. Bald darauf begab sich dieser, unterstützt von einer Handvoll privater Spender, mit einem normalen Stahlrad des Behindertenvereins auf eine lange Reise nach Niger. Dort liefen gerade die Afrikanischen Meisterschaften im Pararadsport.
Alem erzählt, wie er ohne ausreichenden Schlaf sofort bei Ankunft nach zweitägiger Reise zum Wettkampf antreten musste. Das 14-Kilometer-Zeitfahren war sein erstes echtes Rennen. Er hat es ebenso gewonnen wie das Straßenrennen über 42 Kilometer.
Weitere private Zuschüsse ermöglichten es Mumuni, 2009 zur WM nach Italien zu fliegen. Aufgrund von Visakomplikationen landete er zu spät und versäumte den ersten Wettkampf. Zum Straßenrennen musste er sich vom deutschen Verband ein Rad leihen, da sein eigenes nach der Reise verschollen war. Am Ende wurde er Siebter.
Doch der ghanaische Verband wollte ihn immer noch nicht sponsern, auch nachdem er 2010 in Burkina Faso bei den Afrikameisterschaften wieder Gold für Ghana gewonnen hatte. Mumuni hätte das Fahrradfahren wohl aufgegeben, wäre die britische NGO Right to Dream auf ihrer Suche nach ghanaischen Parasportlern nicht auf Alem gestoßen.
Eine Rennmaschine vom Triathlon-Klub
Ihm wurden Trainingseinheiten finanziert, und er bekam endlich ein ansprechendes Rad, das ihm ein Triathlonklub spendierte. 2011 bei der Afrikanischen Meisterschaft schaffte er dann die Qualifikation für die Paralympics in London. Am Mittwoch steht nun für ihn das Zeitfahren an, am Donnerstag das Straßenrennen.
Aber Mumuni denkt weiter. In Ghana will er eine Schule gründen, die sich auf Kinder mit Behinderungen spezialisiert. Menschen mit Behinderung seien viel zu lang ausgeschlossen worden, sagt er. Seine Behinderung sei ein Beispiel dafür, dass menschliche Fähigkeiten über die körperlichen hinausgehen.
In welcher Rolle er sich bei seinem Engagement sieht? „Ich nehme mein kleines Licht und leuchte damit auf meine Art. Wenn man mit der richtigen Einstellung hart an sich arbeitet, können sozialer Hintergrund und Behinderung überwunden werden.“ Das soll das Motto seiner Schule werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!