Ruanda bei den Paralympics: Das Trauma wegspielen

In Ruandas Sitzvolleyballteam spielen Tutsi und Hutu gemeinsam. Den Hass der Vergangenheit haben sie sportlich überwunden.

Dabeisein ist der „Himmel auf Erden“: Die Sitzvolleyballer aus Ruanda in London. Bild: imago/Xinhua

Dominique Bizimana hat schon immer Volleyball gespielt. Aber 1994 – mitten im ruandischen Völkermord an den Tutsi – verlor Bizimana sein linkes Bein. Schon drei Jahre später spielte der Tutsi bereits wieder Volleyball, stehend unter Nichtbehinderten. In London gehört er zur Nationalmannschaft Ruandas im Sitzvolleyball. Seit das Internationale Paralympische Komitee zum ersten Mal in Afrika Wettkämpfe in dieser Disziplin veranstaltet hat, ist er dabei.

In London trägt Bizimana das Trikot mit der Nummer eins. Der 36-Jährige, der in Frankreich Sportmanagement studiert hat, ist nicht nur in der Mannschaft der Primus. Als Chef de Mission führt er das ganze ruandische Paralympics-Team mit seinen 14 Athleten in London an. Dass es die Sitzvolleyballmannschaft überhaupt gibt, das hat auch mit der Unterstützung aus Deutschland zu tun. Bizimana versäumt es nicht, den Deutschen hierfür zu danken. Bis 2001 war man völlig mittellos.

Dann finanzierte Rheinland-Pfalz, traditionell ein Partnerland Ruandas, den Parasportlern ein Büro und eine Trainingshalle. „Das hat alles in Schwung gebracht“, sagt Bizimana. Seitdem haben Jugendliche mit Gehbehinderungen die Möglichkeit, sich mit Sitzball vertraut zu machen, einer Volleyballvariante, bei der der Ball über ein nur ein Meter hohes Band geschlagen werden muss. Diejenigen, die darin gut seien, nehme man dann ins Volleyballteam auf, erklärt Bizimana.

Zwei Mal in der Woche wird trainiert. Mehr sei nicht möglich, sagt die Nummer eins. „Wir kommen alle aus ganz verschiedenen Regionen des Landes, haben zum Teil lange Anreisewege und müssen alle für unseren Lebensunterhalt arbeiten.“ Auch Trainingsaufgaben für zu Hause gebe es aus diesem Grund nicht.

Klare Niederlagen

Die hohen Niederlagen für die Mannschaft in London verwundern vor diesem Hintergrund nicht. Gegen Iran, Brasilien und China verlor man jeweils klar mit 0:3. Die 13 Punkte, die die Ruander im dritten Satz gegen Brasilien geholt haben, wurden vom Team gemeinsam mit dem Publikum schon als großer Erfolg gefeiert.

Doch auch im letzten Gruppenspiel gegen Bosnien-Herzegowina am Montag rechnete keiner in der Mannschaft mit einem Satzgewinn. Diesem Team aus dem ehemaligen Jugoslawien wähnen sich die Ruander, zumindest was den Grad der Traumatisierung durch kriegerische Ereignisse angeht, ebenbürtig.

Die Feindseligkeiten und den Hass der Vergangenheit versucht die ruandische Mannschaft sportlich zu überwinden. Angehörige von Opfern und Tätern spielen zusammen. Sie eint inzwischen mehr als der Grad der Versehrtheit. Bizimana sagt: „Wir müssen zusammenarbeiten. Wenn mein Partner schlecht spielt, verliere auch ich.“ Längst sind ausgehend von dieser Grundregel Freundschaften entstanden.

Aber das ist noch nicht alles. Als das Team merkte, dass die Trips zu Turnieren in Holland oder Frankreich viel zu teuer sind, entschied man sich, Nationalteams in den Nachbarländern zu gründen. Ausgerechnet in Burundi, dem Staat mit der Hutu-Mehrheit, hat man damit begonnen. Später kam Uganda dazu. Jetzt wollen die Ruander die Demokratische Republik Kongo auch noch vom Sitzvolleyball überzeugen.

Die sportliche Konkurrenz selbst geschaffen

Die Dauerprobleme mit dem Nachbarland wegen der Unterstützung verfeindeter Milizen sollen dabei kein Hindernis sein. Ruanda schafft sich seine sportliche Konkurrenz selbst. Mit Unterstützung des Internationalen Paralympischen Komitees und des erst vor zwei Jahren gegründeten Paralympischen Komitees Afrikas soll bald schon eine Ostafrika-Liga gegründet werden.

Doch noch laufen die Paralympics in London. Auch wenn das Sitzvolleyballturnier für Ruanda nach der Vorrunde vorbei ist, spricht Dominique Bizimana davon, wie stolz er ist – stolz darauf, etwas Besonderes erreicht zu haben, stolz darauf, dass ihn alle respektieren. Es war sein Traum, im Sport so weit zu kommen. Er wählt ganz große Worte. London 2012 ist für ihn „wie für die anderen Sportler, ob mit oder ohne Medaille, der Himmel auf Erden“.

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