DIE KOMMUNEN SIND OPFER DER STEUERREFORMEN: Gezeter mit System
Die in einer tiefen Finanzkrise steckenden Kommunen sind gerade noch in der Lage, ihre Pflichtaufgaben, etwa die Zahlung der Personalkosten, zu erfüllen. Alles Weitere droht dem Zwangssparen zum Opfer zu fallen: das soziale Netz von der Kita bis zum Schwimmbad, die städtische Infrastruktur vom Straßenasphalt bis zum Kanalnetz, das kulturelle Angebot von der Musikschule bis zur Stadtbibliothek.
Nichts Neues also, was die Kommunal-Lobby zu Protokoll gegeben hat? Klagen doch die chronisch klammen Lokalpolitiker seit Jahren über immer größere Löcher in ihren Kassen. Doch dahinter steckt System. Sie haben nämlich keine andere Wahl, als mit ihren Problemen immer wieder an die Öffentlichkeit zu gehen. Denn anders als Bund oder Länder können sie keine Neuverschuldung per Beschluss im eigenen Parlamentsbeschluss durchsetzen. Kommunale Defizite sind in den Gemeindeordnungen der Länder nicht vorgesehen – die Verfassungsmütter und -väter haben den deutschen Kommunalpolitikern offensichtlich nicht zugetraut, ihre eigene Verschuldung im Griff zu behalten.
Kann aber auf Grund gesetzlicher Verpflichtungen dennoch kein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden, droht die Kommunalaufsicht des Landes. In detaillierten Konzepten muss dargelegt werden, wie mit welchen Sparmaßnahmen die Schulden wieder abgebaut werden sollen. Die Alternative ist nur, mehr oder weniger rechtzeitig und vor allem im Kollektiv, also als Verband, mit der miserablen Lage zu argumentieren, um „oben“, also bei Ländern und Bund, neue Gelder lockerzumachen. Statt als wohl strukturierte Haushaltsdebatte in einem Parlament stattzufinden, findet der Streit um Einmalzuschüsse oder dauerhafte Lösungen in den Medien, in Verbandsgesprächen und halbformellen Kontaktrunden statt.
Tatsächlich stehen die Städte und Gemeinden mit dem Rücken zur Wand. Seit Jahren bürden Bund und Länder den Kommunen immer neue Aufgaben und damit Kosten auf. So sichern die Gemeinden Langzeitarbeitslose über die Sozialhilfe ab und finanzieren das Recht auf einen Kindergartenplatz. Gleichzeitig fallen die Einnahmen durch die Senkung der Einkommens- und die Reform der Gewerbesteuer dramatisch, nur teilkompensiert durch anderweitige Mehreinnahmen. Neben Taschenspielertricks wie der Aufnahme kurzfristig fälliger Kassenkredite bleibt den Bürgermeistern und Kämmerern daher nur der Weg, immer wieder die öffentliche Meinung zu mobilisieren. Wenn das Gejammer vieler anderer Lobby-Vereine auch nervt – bei den „Kommunalen“ ist es konstitutiv.
ANDREAS WYPUTTA
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