: Gewiefter Postler auf schwerem Posten
DGB nominiert den ehemaligen Postgewerkschafter Michael Sommer einstimmig zum Nachfolger von Dieter Schulte
Es war ein zweifelhaftes Kompliment: „Es spricht eine ganze Menge für Sommer, zudem hat er die ausreichende Eitelkeit für so etwas“, sagte ein Vorstandsmitglied der IG Metall im Januar, als über die Kandidaten für die Nachfolge des bisherigen DGB-Chefs Dieter Schulte noch nicht entschieden war. Jetzt steht der ehemalige Postgewerkschafter Michael Sommer als alleiniger Bewerber für die Wahl Ende Mai fest. Das ist das Resultat eines langen Gerangels der Großgewerkschaften um Macht und Einfluss innerhalb des DGB.
Der 50-jährige Sommer gilt unter den Gewerkschaftern als Seiteneinsteiger – kein arbeiterschweißgeprüfter Traditionsgewerkschafter, sondern eher diplomierter Profistratege. Seine einzige praktische Arbeitstätigkeit war das Ausliefern von Paketen der Post, wo Sommer neben seinem Politologiestudium in Berlin jobbte. Auch nach dem Studium blieb das langjährige SPD-Mitglied der Post treu. Ab 1980 arbeitete er als Dozent im Bildungszentrum der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) und leitete zwei Jahre später deren Öffentlichkeitsarbeit. Seit 1993 gehörte Sommer dem Vorstand an und wurde 1997 stellvertretender Vorsitzender.
Entscheidenden Anteil hatte der in Berlin aufgewachsene Westfale an der Organisation und Integration der DPG und der übrigen vier Dienstleistungsgewerkschaften in die neu geschaffene Riesengewerkschaft Ver.di. Verhandlungspartner bescheinigten ihm hier, nicht nur ein „gewiefter Taktiker und konzeptioneller Kopf“, sondern auch ein „knallharter Hund“ zu sein. Beim Gründungskongress von Ver.di vor zwei Jahren wurde er zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt.
Die Gegner des Kandidaten sind denn auch nicht in den Reihen der Dienstleister, sondern bei den Kollegen der Industriegewerkschaften zu finden. Besonders die IG Metall, neben Ver.di der zweite Machtfaktor im DGB, hätte gerne einen eigenen Kandidaten gestellt, aber keinen geeigneten gefunden. „Ver.di denkt, dass alle Welt nur noch aus Dienstleistungen besteht, während die IG Metall auf die letzten zwei Gießereien verwiesen wird“, heißt es bissig. Lange hatte sich die IG Metall auch gegen Sommer gesträubt, weil dann kein Metaller mehr im DGB-Vorstand gesessen hätte. Der Verzicht des Vorstandsmitglieds Günter Dickhausen auf eine Wiederwahl macht jetzt aber den Weg für einen Industriegewerkschafter frei.
Sommer selbst hat sich aus den Spekulationen um die Nachfolge von Dieter Schulte bisher geflissentlich herausgehalten. Auf ihn als neuen DGB-Chef wartet keine leichte Aufgabe. Denn der Gewerkschaftsbund spielt nur noch im Bündnis für Arbeit eine Rolle als Gesprächspartner. Ansonsten droht er zu einer bloßen Koordinierungsstelle zwischen starken Einzelgewerkschaften zu schrumpfen. In den zu erwartenden heftigen Tarifauseinandersetzungen in diesem Jahr sind Sommer deshalb weitgehend die Hände gebunden. Dazu kommt, dass die Gewerkschaften seit Jahren mit schwindenden Mitgliederzahlen zu kämpfen haben.
Viel Zeit für Frau und Tochter wird bei dem neuen Job also nicht bleiben. Entspannen kann sich Sommer dann vielleicht bei seinem erklärten Hobby. Das ist das Kochen, was man ihm, so schmunzeln einige DGB-Kollegen, auch ein ganz klein wenig ansehen könne. SUSANNE AMANN
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